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Überblick
Für das Königreich Italien sind bis 1903 insgesamt 85 Marken zu nennen, wobei hauptsächlich das Motiv des Regenten, aber auch das Staatswappen vorherrschend sind. Außerdem gab es eine erste Eilmarke im Jahre 1903.
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Der Weg zum Nationalstaat
Obwohl Cavour bei Kriegsausbruch 1859 dafür gesorgt hatte, daß Garibaldi nur eine kleine Truppe schlecht ausgerüsteter Freiwilliger befehligte, gelang es diesem, einige Gefechte zu gewinnen, so daß ab Frühjahr 1860 die Nationalisten zu ihm strömten. Wie 1849 wollten die Demokraten Rom erobern und zur Hauptstadt machen, aber die Stadt wurde von französischen Truppen geschützt. Im Gegensatz zum Republikaner Mazzini war Garibaldi durchaus bereit, einen "Volkskönig" zu küren, zumal er sich in seiner Abneigung gegen Cavour mit König Viktor Emmanuel einig war.
Erstes Ziel war aber Sizilien. Am 6. Mai 1860 schiffte sich Garibaldi mit 1.000 Mann in Genua ein und landete am 11. Mai bei Marsala, wo er eine Diktatur im Namen von Viktor Emmanuel ausrief. Am 15. Mai schlug man bei Calatafimi die überlegenen Truppen von König Franz II. Anfang Juni 1860 wurde Palermo erreicht und eine provisorische Regierung errichtet. Die Chance, eine umfassende Agrarreform durchzuführen und in ganz Süditalien eine breite Basis für die Demokraten zu schaffen, wurde nicht ergriffen.
Mitte 1860 setzte Garibaldi aufs Festland über und zog am 7. September 1860 in Neapel ein. Ende des Monats kam es am Flüßchen Volturno zur Schlacht gegen die Bourbonen. 20.000 Garibaldiner schlugen 30.000 Mann des bourbonischen Heeres. König Franz II. hielt bis Februar 1861 noch die Festung Gaeta und ging danach ins römische Exil. Währenddessen sammelte Mazziani in Neapel ein Heer mit Teilnehmern aus ganz Europa. Cavour mußte nun den Vormarsch der Garibaldiner und Mazzianer auf den Kirchenstaat und Rom fürchten und schlug Napoleon vor, piemontinische Truppen gegen Garibaldi ins Feld zu führen. Um diese Auseinandersetzung zu vermeiden, gab Garibaldi nach und legte die Geschicke des Südens in die Hände von König Viktor Emmanuel, der am 7. November in Neapel einzog.
Der italienische Nationalstaat umfaßte Ende 1860 die ganze Halbinsel mit Sizilien. Es gab nur noch einige kleinere Gebiete wie das österreichische Veneto und der verkleinerte Kirchenstaat.
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Die Staatsgründung und die Zeit bis 1876
Im Februar 1861 trat in Turin erst mal eine verfassungsgebende Nationalversammlung zusammen, wobei Piemonts Verfassung für Gesamtitalien übernommen wurde. Auf Grund des Zensuswahlrechts hatten nicht einmal 2 Prozent der Bevölkerung die Möglichkeit zur Teilnahme an den Wahlen. Anders als bei Deutschland im Jahre 1871 entstand Italien als zentralistischer Einheitsstaat. Am 17. März 1861 wurde Viktor Emmanuel vom Turiner Parlament als König Italiens bestätigt "durch Gottes Gnade und durch den Willen des Volkes". Am 6. Juni 1861 starb Cavour, was angesichts der innen- und außenpolitische Anfänge einen schweren Kontinuitätsbruch zur Folge hatte, da seine Nachfolger schwach waren.
Die Opposition befand sich in Rom: einerseits die Vertriebenen aus den Revolten von 1859 und 1860, andererseits Franz II., König von Neapel, und Papst Pius IX., der den Katholizismus als Gegengewicht zu Liberalismus, Demokratie und Nationalismus sah. 1870 ließ er auf dem 1. Vatikanischen Konzil die "Unfehlbarkeit des Papstes" verkünden. Garibaldi nahm im Sommer 1862 und 1867 noch zweimal den Kampf gegen Rom auf. Beim ersten Mal gab er nach einem Gefecht am Aspromonte in Kalabrien auf, als er auf französische Truppen traf. Beim zweiten Mal unterlag er gegen päpstliche Truppen unter dem deutschen General Kanzler und französische Einheiten. In Süditalien führten sog. Briganten einen Bürgerkrieg gegen den Staat. Der Kampf war Ausdruck des sozialen Elends der Landbevölkerung. Phasenweise standen 100.000 Mann in Süditalien, die eine Art Kolonialkrieg gegen die Aufständischen führten. Erst um 1870 beruhigte sich die Lage.
Neben der nationalen Integration des Südens gab es weitere Probleme wie die schmale Besitztumsbürgerschaft in den nord- und mittelitalienischen Städten und eine mangelhafte Verkehrs- und Bildungsstruktur. Besonders aber fehlte es an Geld, da die Staatskasse leer war. Hinzu kam bis 1870 eine starke Abhängigkeit von Frankreich. Erst nach dem Untergang Napoleon konnte der restliche Kirchenstaat und damit Rom in den Nationalstaat einbezogen werden. Schon 1866 nahm die Regierung die Gelegenheit wahr, mit Preußen ein Bündnis gegen Österreich einzugehen.
Im Juni und Juli 1866 führten beide Länder parallel Krieg gegen Österreich, wobei Italien am 24. Juni eine demütigende Niederlage hinnehmen mußte. Am 20. Juli 1866 wurde die italienische Flotte bei der Insel Lissa (Vis). Trotzdem erhielt Italien das Veneto, da Österreich nach der Niederlage von Königgrätz gegen Preußen geschwächt war. Am 20. September wurde Rom eingenommen, womit das letzte italienische Gebiet zum Nationalstaat kam.
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Markenausgaben 1861 - 1903
Am 14.02.1861 erschienen acht Werte mit dem Porträt von "König Viktor Emmanuel II." in Granawährung als erste Marke des jungen Königreiches. Im Februar 1862 erschienen vier weitere Werte mit dem Porträt des Königs, am 1.2.1862 die erste Zeitungsmarke, am 1.1.1863 eine weitere Marke in gleicher Zeichnung, am 11.2.1863 eine Marke "Viktor Emmanuel II, Kopf nach links", am 1.12.1863 sieben weitere Werte und zwei Zeitungsmarken. Am 1.1.1885 wurde Mi-Nr. 18 mit Wertaufdruck, 1867 "Viktor Emmanuel II. im Rechteck", am 1.8.1877 Mi-Nr. 17 und 26 in Farbänderung, am 1.1.1878 acht Zeitungsmarken, am 15.8.1877 die ersten Marken mit dem Porträt des neuen Königs "Umberto I.", am 1.8.1889 acht weitere Werte in geänderter Zeichnung, eine Marke "Wappen", 1890/91 Mi-Nr. 41, 42 und 37 mit Wertaufdruck, am 1.5.1891 der Kopf des Königs im Kreis, am 20.11.1891 eine weitere Wappen-Marke mit Inschrift auf weißem Grund, am 1.12.1890 Zeitungsmarken, 1893/96 ein Serie "König Umberto" (mit größeren Wertziffern), 1896/97 einige Ergänzungswerte, 1901 die Serie "Wappen und König" sowie am 1.6.1903 eine Eilmarke verausgabt.
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Die Regierung der Linken (1876 - 1887)
Im Jahre 1876 kamen die Linken an die Regierung, die aber ebenso wenig wie die Rechten eine geschlossene Partei bildeten. Dennoch gab es klare Trennlinien: die "sinistra", die nun die Regierung stellte, die oppositionelle "destra" und die radikalen Demokraten ("estrema sinsitra"). Neuer Ministerpräsident wurde Agostino Depretis, der ursprünglich Anhänger von Mazzini war. Er veranlaßte höhere Staatsleistungen, geriet aber bald in Streit mit Cairoli, der Garibaldianer war. Depretis leitete zwischen 1876 und 1887 acht von elf Kabinetten, Cairoli drei.
Insgesamt gab es eine gewisse Stabilisierung, da Reformen in Angriff genommen wurden, wie die Einführung einer zweijährigen Schulpflicht (1877(, Ermäßigung und Abschaffung der Mahlsteuer (1880 und 1884), Aufhebung des Zwangskurses der Lira (1883) und besonders eine Wahlrechtsreform (1881/82), die die Zahl der Wahlberechtigten von 2,2 auf fast 7 Prozent der Bevölkerung anhob.
Außenpolitisch war Italien nach 1870 zunächst isoliert, da seit der Annexion Roms das Verhältnis zu Frankreich gelitten hatte. Zudem traten beide Staaten in Nordafrika als Konkurrenten auf. Preußens Bismarck hatte allerdings ein starkes Interesse an eine Annäherung an Italien, um ein Gegengewicht zu Frankreich zu schaffen. Auf dem Berliner Kongreß 1878 ging Italien leer aus und Frankreich besetzte 1881 Tunis. 1882 kam es zu einem Dreibund, der Italien für die nächsten zwei Jahrzehnte an Deutschland und Österreich band. Italien bestand aber darauf, der der Vertrag sich nicht gegen England richten sollte.
Die Aufwertung Italiens ermöglichte auch erste Erfolge in der Kolonialpolitik: am Roten Meer wurden die Häfen Assab und Massaua gekauft, womit die Landnahme in Eritrea begann. Danach wurden erste Handelsstützpunkte in Somalia eingerichtet, von wo auch man nach Abessinien vorstoßen konnte. 1887 wurde der Dreibund erneuert und England, Österreich und Italien schlossen eine Mittelmeer-Entente. Trotz Einstieg in den Welthandel heilt man in Italien zunächst noch fest. Erst ab den 80er Jahren faßte man den Aufbau einer Schwerindustrie ins Auge, wofür ein Protektionismus notwendig war. 1878 wurde ein Zolltarif eingeführt, der Rohstoffe gegenüber Fertigwaren begünstigte. Wegen einer Agrarkrise wurde die Industrialisierung forciert. Zwischen 1880 und 1890 ging die Getreide- und Maisproduktion wegen amerikanischer Billigexporte um ein Fünftel zurück, die Preise sanken um ein Drittel bis zur Hälfte. Bis zum 1. Weltkrieg verließen besonders aus dem Süden 3,6 Mio. Italiener ihre Heimat. Modernisierungen wurden nicht in Angriff genommen, da vielmehr in Heer und Marine, in afrikanische Unternehmungen und den Ausbau der Eisenbahn und der Schwerindustrie investiert wurde.
Wegen Mangels an Rohstoffen und Kapital war der Aufschwung nur mit staatlicher Hilfe möglich. Die beiden größten Reedereien des Landes fusionierten und erhielten Subventionen. 1884 gründete Stefano Breda mit Regierungshilfe die Stahlwerke in Terni (Umbrien) und gewann die Kontrolle über die Großwerften in Genua in Livorno. Die Eisenproduktion stieg von 95.000 Tonnen (1881) auf 176.000 Tonnen (1886), die Stahlproduktion von 3.600 Tonnen auf ca. 158.000 Tonnen. Industrialisierung im Norden und Agrarkrise im Süden verstärkten die Kluft zwischen beiden Landesteilen.
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Von Crispi zur Jahrhundertwende (1887 - 1903)
Die Jahre von 1887 bis 1896 bezeichnet man auch als die "Ära Crispi". Franceso Crispi stand für Imperialismus, Autoritarismus und Kolonialismus, aber auch für Reformen. Er kam an die Macht, als 1887 ein erster Vorstoß nach Äthiopien scheiterte. Er schürte die nationalistische Stimmung, die sich in Italien wie in Deutschland ausbreitete. Sowohl die Nationalisten, als auch später die Faschisten beriefen sich auf ihn. Traditionell herrschte seit 1880 bis 1945 dabei eine Überschätzung der eigenen Kräfte vor.
Unter ihn verschärfte sich der Konflikt mit Frankreich, so daß es 1889/90 fast zu einem Krieg kam. Erste Erfolg erzielte Crispi im Inneren, als er - meist plebiszitäre - Reformen durchsetzte. 1889 wurde das Wahlrecht in Kommunen und Provinzen erweitert, wobei in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern die Gemeinderäte weiterhin den Bürgermeister wählten. Gesetzte aus den Jahren 1889 und 1890 schufen zudem Verwaltungsgerichte. Auch das Strafrecht wurde vereinfacht, indem Eigentumsdelikte nicht mehr so hart bestraft wurden, auf Sanktionen gegen Streiks und auf die Todesstrafe verzichtet wurde. Um die soziale Fürsorge in Staatshand zu bekommen, wurden 1890 alle konfessionellen Stiftungen konfisziert. Schon 1888 begann eine staatliche Gesundheits- und Hygienepolitik.
Außer Mussolini hat aber kein Staatschef so lange und strikt gegen liberale Grundsätze verstoßen wie Crispi, der die Opposition rigide verfolgte. Er bekämpfte die Partito Operaio (aus der 1892 die Sozialistische Partei entstand) ebenso wie die ersten Fasci siziliani und verhängte auf Sizilien den Ausnahmezustand. 1893 leitete er die Sanierung der Staatsfinanzen und des Bankwesens ein, indem er Steuern erhöhte. Eine ausgeglichene Bilanz kam aber erst 1898/99 zu Stande.
Außen- und militärpolitisch beteiligte er sich an der Aufteilung der Welt aus nationalem Prestigedenken heraus. Er wollte die Schwerindustrie ausbauen und glaubte, mit der Schaffung von Siedlungen in Kolonien, die inneren Konflikte lindern zu können. Ein Teil Äthiopiens wurde erobert und ein Protektorat über das ganze Gebiet angestrebt, zu dem der Negus Menelik II. aber nicht bereit war. 1895 wurde Adua erobert und Tigre, ein Kernland Äthiopiens, annektiert, wodurch die koloniale Begeisterung in Italien wuchs und Crispi einen überragenden Wahlsieg errang. Im November 1895 wurden die Truppen am Amba Alagi und am 1. März 1896 bei Adua vernichtend geschlagen. Kaiser Menelik hatte die Selbständigkeit seines Reiches gerettet und dem italienischen Streben nach einem großen Kolonialreich in Ostafrika ein Ende bereitet. Crispi trat am 5. März 1896 von seinem Amt als Ministerpräsident zurück und Rudini wurde im Sommer 1896 neuer Ministerpräsident. Im Frieden von Addis Abeba wurde am 25. Oktober 1896 die Unabhängigkeit Äthiopiens manifestiert und der italienische Besitz von Eritrea anerkannt.
Danach richtete sich der Blick Italiens verstärkt auf Nordafrika. Frankreich warb verstärkt um Italien, das in Ostafrika von den Dreibund-Partnern keine Unterstützung erfahren hatte. Zudem richtete sich die Politik Kaiser Wilhelms II. zunehmend auch gegen England. 1896 schloß Rudini einen Handelsvertrag mit Tunis, in dem das französische Protektorat anerkannt wurde, und 1898 folgte ein Handelsvertrag mit Frankreich. Innenpolitisch wollte Rudini eine Dezentralisierung einleiten, die aber im Parlament keine Mehrheit fand. Soziale Unruhen steigerten im Bürgertum zudem die Revolutionsfurcht, seit im April 1897 die Anarchisten ein erstes Attentat auf den König versuchten, nachdem 1894 der französische Staatspräsident Carnot und 1898 die österreichische Kaiserin Elisabeth von ihnen ermodert worden waren.
Beim Begräbnis der Linksradikalen Felice Cavallotti kam es 1898 in Mailand zu Massendemonstrationen und für Anfang Mai wurde ein Generalstreik ausgerufen. General Vava Beccaris schlug den Aufstand nieder, wobei 100 Personen getötet und 500 verletzt wurden. Wegen Differenzen über den weiteren Kurs zerfiel die Regierung Rudini und General Luigi Girolamo Pelloux wurde 1898 sein Nachfolger. 1899 wurde die Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit beschränkt. Der General verlor aber die Unterstützung im Parlament, als er immer mehr auf ein autoritäres Regime hinarbeitete. Bei den Wahlen des Jahres 1900 verbesserten sich Republikaner, Radikale und Sozialisten von 67 auf 96 Mandate und auch die Linksliberalen gewannen Sitze hinzu, worauf Pelloux zurücktrat. Damit war der von Crispi begonnene Versuch, Italiens Integration mit repressiven Mitteln zu erreichen, endgültig gescheitert.
Einen Monat später wurde König Umberto von Anarchisten ermordet, die die Tat als Rache für die "Bluttat" von Mailand ansahen. Die Regierung des 80-jährigen Senators Giuseppe Saracco bemähte sich um eine Normalisierung des politischen Lebens, wofür auch Gioletti eintrat. Er forderte eine Einbeziehung der Arbeiterorganisationen und forderte ein Integrations- und Reformprogramm. Der junge König Viktor Emmanuel II. trug dem Rechnung und ernannte im Februar 1901 Zanardelli, einen Linksliberalen, zum Ministerpräsidenten. Giolitti wurde Innenminister.
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