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- Altschweiz (1848-1913) -
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 22.11.2008
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Einführung Republikanischer Kleinstaat in Europa Die Entstehung des Bundesstaates Die Ausgaben des 19. Jahrhunderts Der Bundesstaat 1848 - 1874 Das Fortschreiten der Zentralisation 1874 - 1914 Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Die frühen Ausgaben des 20. Jahrhunderts Die internationalen Beziehungen der Schweiz Der Wandel zur konservativen Demokratie (1890 - Beginn des 1. Weltkrieges) nach unten

Einführung

ch_alt4.jpgDie erste Marke der Schweizerischen Bundespost erschien erst am 22. Oktober 1849. Bis zum Jahr 1914, in dem der 1. Weltkrieg ausbrach, wurden insgesamt 117 Werte verausgabt, wobei als Motiv zunächst das "Schweizer Kreuz", als Symbol des Bundesstaates, vorherrschte. Ab 1854 wurden die Markenbilder aber dann durch die "Sitzende Helvetia" oder "Stehende Helvetia" bestimmt, wobei es zahlreiche Varianten gibt, sowie durch den "Tellknaben".

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Republikanischer Kleinstaat in Europa

Aus den revolutionären Wirren der Jahre 1848/49, die viele Staaten Europas erfaßten, hielt die Schweiz sich heraus. 1848 wurde beispielweise ein Bündnisersuchen von Sardinien-Piemont abgelehnt. Außerdem besetzte man die Grenzen im Norden und Süden, um ein Übergreifen auf die Eidgenossenschaft zu verhindern. Viele Flüchtlinge aus Deutschland und Italien fanden dennoch ihren Weg in die Schweiz, wie z. B. im Sommer 1849, als die Reste der badischen Armee bei Basel über die Grenze traten.

ch_95tell.jpgNachdem in Frankreich 1852 das 2. Kaiserreich entstand, hatten nur noch Sardinien-Piemont, Belgien, die Niederlande und Dänemark eine liberale Verfassung und die Schweiz war (wieder) die einzige Republik in Europa. Auf Druck der Nachbarn mußte die Schweiz Flüchtlinge ausweisen, wogegen sich besonders die Kantone Genf und Tessin auflehnten. Die Tessiner Regierung hatte zudem Maßnahmen gegen die Bistümer Mailand und Como verhängt, so daß Österreich 1853 alle Tessiner aus Lombardo-Venetien auswies und die Grenzen zur Schweiz sperrte. 1856 kam es zu Spannungen mit Preußen, als es im Fürstentum Neuenburg, das während der Revolution von 1848 eine liberal-radikale Republik geworden war und somit nicht mehr mit den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verbunden war, zu revolutionären Aktionen kam. Im September des Jahres 1856 versuchten royalistisch-konservative Kräfte, in Neuenburg die alte Ordnung wieder herzustellen. Der Aufstand scheiterte, aber der preußische König wollte die Aufständischen nicht im Stich lassen und traf militärische Vorbereitungen, die zu einer schweizerischen Mobilmachung unter General Dufour führten. Durch Vermittlung von Kaiser Napoleon III. kam es zu einem Kompromiß: der preußische König verzichtete auf das Fürstentum Neuenburg und dafür wurden die Aufständischen begnadigt und freigelassen.

ch_96tell.jpgAußenpolitisch kann man dies als Erfolg für die Schweiz ansehen, aber schon wenige Jahre später erlitt der schweizerische Nationalstolz einen herben Rückschlag. Nachdem Savoyen an Frankreich abgetreten worden war, hoffte man auf einen Anschluß von Nordsavoyen. Nach einem gescheiterten Genfer Einmarschversuch in den Städten Evian und Thonon führte Napoleon III. in Savoyen eine Volksabstimmung durch, die mehrheitlich den Anschluß an Frankreich sanktionierte. Frankreich hatte die Bevölkerung durch eine Ausdehnung der Freizone an der Schweizer Grenze für sich gewinnen können. Im sardisch-französischen Krieg gegen Österreich 1859 und im italienisch-österreichischen Krieg von 1866 deckte die Schweiz ihre Grenzen im Süden bzw. Osten mit Grenzbesetzungen ab. Während des deutsch-französischen Krieges kam es zur Generalmobilmachung in der Schweiz und General Hans Herzog wurde zum Oberkommandierenden gewählt. Die gesamte Grenze im Norden von Schaffhausen bis zur Burgunder Pforte wurde gesichert. Da nach einem Monat die meisten Soldaten wieder entlassen wurden, bestand die Gefahr, daß die von den Deutschen besiegten Truppen im Januar 1871 auf schweizerisches Gebiet übertreten würden. Auf Weisung des Generals Herzog ließen die Franzosen sich allerdings mit 87.000 Mann internieren. Als Fazit des Krieges kann man festhalten, daß die eidgenössische Armee bezüglich Organisation und Ausbildung erhebliche Mängel hatte.

Die staatliche Neuordnung in Italien und Deutschland änderte die Lage der Schweiz radikal, da nun neben den bisherigen großen Nachbarn Österreich und Frankreich das geeinte Italien und Deutschland traten. Während die italienische Einigung in der Schweiz überwiegend begrüßt wurde, war die Meinung bezüglich Deutschlands geteilt, da man einerseits die militärischen Leistungen besonders Preußens bewunderte, aber als recht kleine Republik das neue Kaiserreich mit Argwohn sah.

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Die Entstehung des Bundesstaates

ch_97tell.jpgIm Jahre 1848 billigte das Volk mit Dreiviertelmehrheit eine neue Bundesverfassung, die die Entscheidungsgewalten von den Kantonen auf den Bund verlagerte. Zwar waren die Kantone nach wie vor souverän, aber das Bundesrecht hatte nun Vorrang. Viele Kantone mußten ihre Verfassungen anpassen. Es gab in der Schweiz nunmehr 19 Repräsentativdemokratien und 6 Landsgemeindedemokratien. Seit 1833 gab es 22 Kantone, von denen drei in Halbkantone geteilt waren. Der Bund selbst war eine Repräsentativdemokratie mit einem Zweikammernparlament (der Bundesversammlung nach amerikanischen Vorbild) als Legislative. Der Nationalrat wurde durch direkte Wahl proportional der kantonalen Bevölkerung, der Ständerat durch die delegierten Kantonsvertreter besetzt. Eine Entscheidung war erst gültig, wenn beide Kammern ihr zustimmten.

ch_98hel.jpgFür die Exekutive wurde entsprechend den Kantonalverfassungen von 1830 ein eidgenössischer Regierungsrat geschaffen, der sich "Bundesrat" nannte und aus sieben Mitgliedern, von denen jedes für ein Jahr das Amt des Bundespräsidenten inne hatte, bestand. Für die Jurisdiktion gab es ein Bundesgericht, das vom Parlament bestimmt wurde und als Schiedsgericht bei Streitigkeiten unter den Kantonen gedacht war. 1874 erhielt das Bundesgericht als ständige Behörde ihren Sitz in Lausanne und Bern wurde 1848 zur Bundeshauptstadt bestimmt. Die gemeinsamen Symbole - Schweizer Fahne und Schweizer Wappen - erhielten nunmehr endgültig Vorrang vor den 25 Kantonssymbolen. Die Verfassung legte außerdem die Dreisprachigkeit des Bundes fest. Der Bund war gehalten, mit den Kantonen in der jeweils dort vorherrschenden Sprache zu verkehren. Offizielle Texte müssen in allen drei Sprachen abgefaßt werden. Obwohl 70 Prozent der Bevölkerung Deutsch sprechen, kann man Französisch als gleichwertig ansehen; nur das Italienische ist auf die Regionen Tessin und die vier Bündner Südtäler beschränkt und das Rätoromaische auf den Kanton Graubünden.

ch_99hel.jpgJeder schweizerische Bürger hat die Möglichkeit, den Nationalrat zu wählen, wobei das Majoritätsprinzip gilt, d. h. gewählt ist der Kandidat, der die absolute Mehrheit erzielt. Außerdem darf jeder Bürger durch "Initiativen" Volksabstimmungen beantragen, wenn er 50.000 Gleichgesinnte gewinnt. Jede einzelne Verfassungsänderung muß durch ein "obligatorisches Referendum" vom Volk abgesegnet werden. Da viele Kantonsverfassungen schon seit 1830 die Menschen- und Bürgerrechte beinhalteten, beschränkte sich die Bundesverfassung auf die wesentlichen Aspekte wie Garantie der Pressefreiheit, der Glaubensfreiheit und der Niederlassungsfreiheit. Die Wirtschaftsfreiheit wurde zunächst nicht erwähnt, sie kam erst in der revidierten Verfassung von 1874 vor. Der Bund sorgte für eine Vereinheitlichung von Zoll, Post, Münze, Maßen und Gewichten und die Aufhebung von Binnenzöllen. Die Armee wurde nach und nach durch ein Bundesheer abgelöst, Dienst in fremden Armeen blieb bis 1927 erlaubt. Um die Verwaltung kümmerten sich die Kantone, denen Polizei, Straßenwesen, Rechtspflege, Steuern, Sanitätswesen, Schule und Kirche unterstanden. Die Unabhängigkeit der Kantone zeigte sich auch im Verzicht des Bundes auf den Eisenbahnbau und das Scheitern der Errichtung einer eidgenössischen Universität, denn lediglich eine Polytechnische Schule wurde 1854 in Zürich für die Gesamtschweiz gegründet.

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Die Ausgaben des 19. Jahrhunderts

ch_alt3.jpgch_15hel.jpgMit dem Motiv "Schweizer Kreuz im Posthorn", der sog. "Waadt", im Querformat zu 4 (22. Oktober 1849) und 5 Centimes (22. Januar 1850) starteten die Ausgaben der "Schweizerischen Bundespost". Im August 1850 folgten (im Hochformat) die Nr. 4 mit dem "Schweizer Wappen", die sog. "Neuenburg" zu 5 Centimes und am 12. März 1850 die Nr. 4 "Schweizer Kreuz im Posthorn" (im Querformat), die sog. "Winterthur" zu 2 1/2 Rappen mit der Inschrift "ORTSPOST POSTE LOCALE": Im April/Mai 1850 gab es die Nr. 5 und 6 zu jeweils 2 1/2 Rappen mit dem Schweizer Wappen und einem Posthorn (im Hochformat), wobei die Nr. 5 die Inschrift "ORTSPOST" und die Nr. 6 die Inschrift "POSTE LOCALE" enthält. Bei diesen beiden Marken wird zwischen der Type I (mit Kreuzeinfassung) und II (ohne Kreuzeinfassung) unterschieden. Ein Leckerbissen für jeden Schweiz-Sammler sind die sog. "Rayon I-III"-Marken (Nr. 7 - 12) aus den Jahren 1850-52, wobei es auch hier die Typenunterscheidungen mit / ohne Kreuzeinfassung und außerdem mit teilweiser Kreuzeinfassung gibt. Die Nominalen lauten auf 5, 10 oder 15 Rappen und 5 Centimes (Nr. 11). Im Jahre 1854 erschienen sechs Werte mit dem Motiv "sitzende Helvetia", wobei zwischen den beiden Typen I (Münchener Druck) und II (Berner Druck) unterschieden wird. Bei der Type II unterscheidet man außerdem zwischen X (mittelstarkes Papier) und Y (Seidenpapier).

ch_22hel.jpgch_47tell.jpgAm 1. Juli 1862 erschienen die ersten gezähnten Marken der Schweiz, die "Sitzende Helvetia" in geänderter Zeichnung und neuen Farben. 1881 gab es weitere Werte auf blau bzw. rot gefasertem Papier. Am 1. April 1884 gab es mit der "Ziffern"-Ausgabe ein weiteres Freimarken-Motiv. Diese Ausgabe gibt es auch mit anderen Farben auf Faserpapier (mit zusätzlichen Ergänzungswerten). Die letzte Ausgabe des 19. Jahrhunderts ist die "Stehende Helvetia", bei der es bei den einzelnen Marken bis zu vier Zähnungsvarianten zu unterscheiden gibt. Zwischen 1899 und 1904 wurden noch vier Ergänzungswerte emissiert, die es in zwei Zähnungsvarianten gibt.

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Der Bundesstaat 1848 - 1874

Bei den ersten Wahlen zur Bundesversammlung im Jahre 1848 erhielten die sog. "Freisinnigen" (Radikale und Liberale) in beiden Räten eine große Mehrheit. Von den sieben Mitgliedern des Bundesrates waren zwei Katholiken und zwei nicht Deutschsprachige. Die Freisinnigen wurden im Laufe der Zeit zu einer richtig weltanschaulich geprägten Volkspartei, die sich patriotisch-national, zentralistisch, freiheitlich und demokratisch, antiklerikal und antipatrizisch gab und deren Wähler aus allen Volksgruppen kamen, also Bauern, Handwerker, Arbeiter, Unternehmer und Intellektuelle. In fast allen Kantonen hatten sie die Mehrheit und den Kern bildeten die Freimaurer und die Studentenverbindung "Helvetia", die sich 1858 von den Zofingern abspaltete.

ch_100hel.jpgIn den Kantonen gab es mehrere Oppositionsgruppen, die für Föderalismus, Freihalten der Kirchen und Schulen von Einflüssen der Freisinnigen, enge Bindung an die Kirche in den konservativen Kantonen, Fortbestehen der patriarchalischen Ordnung und Industriefeindlichkeit standen. Im Bund war ihre Position schwach, auch wenn sie 1857 20 Prozent im Nationalrat inne hatten. In den reformierten Kantonen gab es nur im Halbkanton Basel-Stadt bis 1875 eine konservative Mehrheit, ansonsten hatten sie Konservativen nur bei der katholischen Bevölkerung Einfluß und unter den Jugendlichen, wie den Ultramontanen des Papstes Pius IX., die sich gegen innerkirchlichen Liberalismus wandten. Wie in Deutschland zur Zeit Bismarcks, in Österreich und Belgien kam es in der Schweiz zu einem "Kulturkampf", wobei es um den Einfluß des Staates auf Schule und Kirche und die Stellung der Geistlichen ging. Die (revidierte) Bundesverfassung von 1874 fand auch deshalb eine Mehrheit, weil einige antiklerikale Artikel enthalten waren, wie Jesuitenverbot, Verhinderung von neuen Klöstern, Bundesgenehmigung bei der Einrichtung neuer Bistümer und Bestimmungen gegen die Störung des konfessionellen Friedens.

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Das Fortschreiten der Zentralisation 1874 - 1914

ch_102hel.jpgVom Siegeszug der Freisinnigen seit 1848 schien zunächst das Großbürgertum zu profitieren mit seinem Einfluß auf Industrieunternehmen und den Eisenbahnbau. Die Macht der großbürgerlichen sog. "Bundesbarone" rief allerdings eine kleinbürgerliche Gegenbewegung auf den Plan, die die Volkswahl der Kantonsregierungen, die Demokratisierung des Offizierskorps und eine Arbeits- und Versicherungsgesetzgebung forderte. Ein erster Erfolg war die Revision der Bundesverfassung von 1848, wobei auf allzu zentralistische Aspekte bewußt verzichtet wurde. Ab 1881 hatten die Freisinnigen wieder eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Die überarbeitete Verfassung sah insbesonders das "fakultative Referendum" (d. h. Volksabstimmung) für Bundesgesetze und allgemeinverbindliche Beschlüsse der Bundesversammlung vor, sofern dies mindestens 30.000 Bürger forderten. Ab 1891 gab es zusätzlich die Möglichkeit der Verfassungsinitiative, womit bei 50.000 Unterschriften von den Bundesbehörden verlangt werden konnte, irgendwelche Vorschläge zur Volksabstimmung vorzulegen.

ch_103hel.jpgSomit begann ab 1874 die schweizerische Tradition, über alle möglichen Gesetze und Verordnungen durch die Öffentlichkeit abstimmen zu lassen. Nach und nach wurde das Proportionalwahlrecht in den Kantonen eingeführt, zunächst 1891/92 in Neuenburg und im Tessin und bis 1914 in acht weiteren Kantonen. Hierbei überließ die Mehrheitspartei freiwillig Sitze in der Exekutive der Opposition. 1874 bis 1914 wurden die Gesetze (Obligationen-, Schuld- und Wechselrecht sowie Zivilrecht) weiter vereinheitlicht, für die Durchführung blieben die Kantone zuständig. Im Heerwesen gab es seit 1874 anstelle des kantonal organisierten Kontingentheeres endgültig eine Bundesarmee, die vollständige Zentralisation scheiterte allerdings 1895. Die Freigabe der Eisenbahnen an Privatunternehmer führte ins Chaos, wobei finanzielle Schwierigkeiten einzelner Bahngesellschaften, Abhängigkeit von ausländischem Kapital und der Zusammenbruch der "Nationalbahn" 1898 endgültig zu den "Schweizerischen Bundesbahnen" führten, die vom Bund betrieben wurden.

ch_104hel.jpgIm Gesundheitswesen, der Forst- und Gewässerwirtschaft und in den Berufsschulen übernahm der Bund ebenfalls die Oberaufsicht. Gegenüber dem Ausland war die schweizerische Sozialgesetzgebung noch rückständig. Lediglich der Kanton Glarus war hier vorbildlich, als schon 1848 erste Gesetze erlassen und 1864 ein Landsgemeindebeschluß gefaßt wurde mit Zwölfstundentag, Nachtarbeitsverbot, Einrichtung von Ruhepausen und Sicherheitsvorschriften. 1877 schuf der Bund ein gesamtschweizerisches Fabrikgesetz, aber erst 1912 folgte ein Kranken- und Unfallversicherungsgesetz für Arbeiter und Angestellte. Die Konservativen kämpften in allen diesen Jahren gegen diese zentralistischen Ansätze, wobei sie es 1882 schafften, daß ein Erziehungssekretariat nicht eingerichtet wurde und es bei 25 verschiedenen Schulsystemen mit oft konfessioneller Ausrichtung und kantonalen Schulbüchern blieb. Nach der Verstaatlichung der großen Eisenbahnlinien und der Vereinheitlichung des Rechtswesens ab 1898 erhielt der Zentralismus erneut starken Aufschwung.

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Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung

ch_105hel.jpgDurch die Vereinheitlichung im Zollwesen und Obligationenrecht wurde die Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts endgültig zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum, war allerdings immer noch auf ausländische Kapitalhilfe angewiesen. Neben der Textil-, Uhren- und Maschinenfabrikation gab es verstärkt die Nahrungsmittel- und chemische Industrie. Für die wirtschaftliche Entwicklung waren besonders die Eisenbahnlinien wichtig und die beiden neuen Alpentunnel St. Gotthard (1882) und Simplon (1906) sorgten für eine Verbesserung der Verkehrssituation. Allmählich breitete sich der Tourismus aus. Die Bevölkerung verlagerte sich in bestimmte Zentren in der Mitte der Schweiz, wo die Bevölkerungszahl zwischen 1860 und 1914 von 2,5 auf 4 Millionen anstieg. Da die Industrie anfangs nur zögernd genügend Arbeit bot, gab es eine starke Auswanderungstendenz nach Amerika und in die ostelbische Landwirtschaft. Daneben gab es eine starke Binnenwanderung besonders aus den alpinen Regionen und die Bevölkerung vermischte sich sowohl sprachlich, als auch konfessionell. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte ein starker Zuzug aus dem Ausland (besonders aus Deutschland und Italien) ein. Um 1880 gab es mehr Arbeiter als Bauern in der Schweiz. Neben England war die Schweiz in Europa am stärksten von dieser Verschiebung betroffen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts breitete sich auch das Unternehmertum langsam aus, das in den Städten vornehme Ortsteile baute.

ch_106hel.jpgDie Angestelltenschaft als Bindeglied zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft bildete sich erst zögerlich und war in der Industrie, aber auch im kommunalen, kantonalen und bundesstaatlichen Verwaltungsapparat beschäftigt. Bei den Arbeitern vollzog sich der Wechsel vom Heim- zum Fabrikarbeiter recht schnell. Die Maschinen- und Textilindustrie führte besonders in Kleinbasel, Zürich-Außersiehl, Lausanne-Rennens und Genf zu eigenen proletarischen Stadtteilen. Ansonsten entwickelte sich die Industrie auch in ländlichen Gebieten, so daß Arbeiter und Kleinbürger lange Zeit nebeneinander lebten. Es bildeten sich erste wirtschaftliche Dachverbände, wie der Handels- und Industrieverein (1870; für Unternehmer), der Schweizerische Gewerbeverband (1879; für Kleingewerbe) und der Schweizerische Bauernverband (1897; für Landwirte). Nachdem die Arbeiter sich seit den 40er Jahren zunächst in lokalen Berufsverbänden zusammenschlossen, wurde 1880 der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegründet, dem 1903/08 der Schweizerische Angestelltenverband folgte.

Politisch sahen sich die meisten Arbeiter in der Schweiz als freisinnige Demokraten, da die Freisinnige Partei es verstand, auch diese Bevölkerungsschicht an sich zubinden. Es gab zwar auch in der Schweiz sozialistische und kommunistische Gruppen, die allerdings meist bei ausländischen Einwanderern Anklang fanden. Erst 1888 konnte in der Schweiz eine Sozialdemokratische Partei gegründet werden. In den Krisenzeiten der 70er und 80er Jahre des 19. Jahrhunderts verhärteten sich die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, wobei man die Sozialdemokratie wegen ihrer internationalen Ausrichtung mit Argwohn betrachtete. Die Bindung an die deutschen Sozialdemokraten war besonders eng und in den Gewerkschaften war die Hälfte der Mitglieder Ausländer. Streikbewegungen in den 90er Jahren machten den Einsatz von Militär notwendig, zumal sich zwischen 1904 und 1910 das Prinzip des Klassenkampfes in Sozialdemokratie und Gewerkschaft durchsetzte. Die Partei erhielt zwar starken Zulauf, wurde aber nur von der Hälfte der Arbeiter gewählt. Innerparteilich war man sehr heterogen, da es von Anarchisten über Kommunisten bis zu Reformisten alle Schattierungen gab.

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Die Ausgaben des frühen 20. Jahrhunderts

ch_114hel.jpgDas neue Jahrhundert wurde am 2. Juli 1900 mit der ersten Sondermarkenserie der Schweiz anläßlich "25 Jahre Weltpostverein" eröffnet, wobei hier zwischen den Platten I - III mit verschiedenen Zähnungen zu unterscheiden ist. 1905 bis 1907 folgten Ergänzungswerte zur "Stehenden Helvetia" (diesmal mit Wasserzeichen), zur "Ziffern"- und "Helvitia"-Ausgabe (zu unterscheiden sind hier die Zähnungen C = K11 1/2 : 11 und D = J11 1/2 ; 12) auf Faserpapier. Ein neues Motiv "Tellknabe" gab es 1907 am 11. November mit drei Werten zu 2, 3 und 5 Centimes. An diesem Tage wurden auch noch drei Werte zu 10, 12 und 15 Centimes mit einer neuen Zeichnung der "Helvetia" verausgabt. Bei der "Sitzenden Helvetia" (Michel-Nr. 100-110) vom August 1908 wird zwischen X (normales, gefasertes Papier) und Y (gestrichenes Papier mit glatter Gummierung) und Z (gestrichenes Papier mit geriffelter Gummierung) unterschieden. 1909 erschienen drei Werte "Helvetia-Brustschild". Die gute Tradition der "Pro Juventute"-Marken wurde am 14. Dezember 1912 mit drei Vorläufern ohne Frankaturkraft eröffnet. Die erste (offizielle) "Pro Juventute"-Marke gab es am 1. Dezember 1913.

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Die internationalen Beziehungen der Schweiz

Zwischen 1871 und 1914 gab es in Europa eine lange Zeit des Friedens, wovon auch die neutrale Schweiz profitierte, die sich bemühte, mit allen Staaten der Welt freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Es wurden mit Sardinien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Belgien und Japan Handelsverträge geschlossen und später auch mit den nächsten Nachbarn. An Europa paßte man sich durch die Einführung des französischen Frankensystems (1850), den Beitritt zur lateinischen Münzunion (1865) und durch die Einführung des metrischen Maßsystems (1874) an.

ch_108hel.jpgAuch bei internationalen Organisationen spielte die Schweiz eine Rolle, wie z. B. durch die Gründung des Roten Kreuzes 1864 in Genf und die Etablierung der internationalen Telegrafenunion (1865), den Weltpostverein (1874) und das Zentralamt für internationalen Eisenbahntransport, die alle ihren Sitz in Bern hatten. In der Schweiz fanden auch viele internationale Kongresse statt, was mit zur Förderung des Tourismus führte und vielen neuen Arbeitsplätzen. Die schweizerischen Hochschulen lockten viele Deutsche und Slawen an und das Polytechnikum in Zürich hatte international einen sehr guten Ruf. Als bürgerliche Republik war das Land in Europa sehr angesehen und die Neutralität der Schweiz wurde respektiert, wenngleich die Schweiz mißtrauisch militärische Maßnahmen in Italien verfolgte und deshalb die Festungen Gotthard und St. Maurice ausbaute und das Straßennetz sowohl für touristische und logistische, aber auch für militärische Zwecke nutzbar war.

Als 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, gab es in der Schweiz eine große Kriegsbegeisterung, die entlang der Sprachgrenzen Sympathien für Deutschland oder Frankreich zeigten. Selbst die Verletzung der belgischen Neutralität konnte in der deutschsprachigen Schweiz die Begeisterung für das Deutsche Reich nicht bremsen. Sowohl der amtierende General Ulrich Wille und sein Stellvertreter Theophil Sprecher von Bernegg waren prodeutsch gesinnt. Am liebsten hätten diese beiden an der Seite Deutschland in den Krieg eingegriffen. Sie gehörten zu den Kreisen, die das deutsch-preußische Militärmodell in der Schweiz eingeführt hatten, das einen strengen Drill und die Betonung der militärischen Hierarchie mit sich brachte.

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Der Wandel zur konservativen Demokratie (1890 - Beginn des 1. Weltkrieges)

ch_109hel.jpgIm Jahre 1891 wurde erstmals ein Vertreter des Katholizismus in den Bundesrat gewählt, wodurch scheinbar die Gegensätze zwischen Liberalen und Konservativen überbrückt zu sein schienen. In diesem Jahr wurde der 1. August, in Erinnerung an das von Mythen umrankte Jahr 1291, als sich die Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden zu einem "Ewigen Bund" zusammenschlossen - zum Nationalfeiertag erklärt. Die Einführung der Verfassungsinitiative sorgte zudem für direkt-demokratische Aspekte, obwohl neben der Mehrheit der abstimmenden Bevölkerung auch ein sogenanntes "Ständemehr", d. h. eine Mehrheit zustimmender Kantone, erforderlich war. Diese Volksabstimmungen gaben den Bürgern Gelegenheit, direkt auf die Staatsangelegenheiten Einfluß nehmen zu können. Von 1893 bis 1997 wurden insgesamt nur 14 von 118 zur Abstimmung vorgelegte Gesetze angenommen. 1893 wurde z. B. ein Schächtverbot in der Verfassung verankert und 1894 wurde ein sozialistischer Vorstoß, ein "Recht auf Arbeit" aufzunehmen, abgelehnt. Das Instrument der Volksabstimmung wurde besonders von Minderheiten benutzt, was die hohe Zahl der Ablehnungen erklärt.

ch_110hel.jpgBei der Gesetzgebung kam es 1898 zur Verstaatlichung der Eisenbahnen und zur Gründung der Nationalbank (1901), was die bundesstaatliche Komponente stärkte. Während in Deutschland Liberale und Sozialdemokraten sich schon lange konträr gegenüber standen, gelang es den Linksliberalen in der Schweiz über die Arbeiter- und Handwerkervereine, noch längere Zeit, auch die Linke einzubinden. Erst 1890 kam es in der Schweiz zur Gründung einer Sozialdemokratischen Partei. Die Schweiz als Staat mit weitgehenden demokratischen Rechten war kein Ort für sozialistische Aufstände und gewerkschaftliche Aktivitäten, zumal das Fabrikgesetz aus dem Jahre 1877 (mit 11-Stunden-Tag, unternehmerischer Haftpflicht bei Unfällen, Sonderbestimmungen für Frauen- und Jugend-Arbeit) sehr fortschrittlich war. Die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung führte zum Ende der Eintracht zwischen Liberalen und Sozialdemokraten in den 90er Jahren. Zürich wurde durch die Eingemeindungen des Jahres 1893 zur ersten schweizerischen Großstadt mit über 100.000 Einwohnern. Metall- und Maschinenindustrie waren zwar vielfach noch in ländlichen Regionen beheimatet, aber schon städtischer als z. B. die Textilindustrie. Neben der Stadtflucht gab es in Zürich, Basel und Genf eine starke Zuwanderung aus dem Ausland, so daß 1914 der Ausländeranteil in diesem Städten mehr als ein Drittel ausmachte. Die alten Stadtzentrum wurden umringt von industriell-proletarischen und kleinbürgerlichen Vorstädten.

In diesen Vorstädten bildete sich das Reservoir für die Arbeiterbewegung. Ab 1894/95 wurden die Gewerkschaften zu Massenorganisationen, wohingegen die sozialdemokratische Partei recht bedeutungslos blieb. Da es keinen autoritären Staat wie in Deutschland und nur eine schwache staatliche Bürokratie gab, bestimmten besonders die erfolgreichen Fabrikanten das politische und soziale Geschehen. Die Verbände der Arbeitgeber, Polizeischutz und willige Streikbrecher waren Instrumente der Großbürger gegen das Aufbegehren der Arbeiterschaft.

Parallel zu den Spannungen zwischen Großindustrie und Arbeitnehmern gab es Unmut bei den Kleinbauern, die am härtesten von den Agrarkrisen der 80er Jahre betroffen waren. Viele ackerbautreibende Kleinbetriebe in der nördlichen Schweiz mußten aufgeben, während die Milchwirtschaft weniger betroffen war. Die Kleinbauern grenzten sich nicht nur von den ländlichen Honoratioren, sondern auch von der städtischen Arbeiterschaft ab. Im Jahre 1897 wurde der "Schweizerische Bauernverband" gegründet, in dem einzelne Bauernbünde aufgingen. Die Bauernschaft sah sich als Urkraft eidgenössischer Traditionen.

ch_141hel.jpgDen Beginn des 20. Jahrhunderts feierte man in der Schweiz gelassen mit einem Rückblick auf das Erreichte und man war stolz auf die allgemeine Volksbildung und die demokratischen Bürgerrechte. Die Einbrüche der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts schienen überwunden und man hoffte, die Erfolge auch im neuen Jahrhundert fortsetzen zu können. Durch die Abwanderung großer Bevölkerungsteile in die Städte formierte sich auch die katholische Minderheit neu, die durch den Zuzug katholischer Arbeiter besonders aus Süddeutschland, Österreich und Italien gestärkt wurde. Ab 1907 baute man sogar eigene christlichsoziale Gewerkschaften auf. In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts wurde auch das typisch schweizerische Merkmal geboren, daß mehrheitsfähige Kompromisse erst nach Jahren ausgehandelt werden konnten, um eine Mehrheit im Volke zu erhalten. Dem Bürgertum gelang es immer mehr, die konservativen Kreise der Landbevölkerung für ihre Interessen einzuspannen und gegen die Arbeiterschaft für sich einzunehmen. Während man sich seit 1848 stark an Frankreich orientierte, gab es vor dem 1. Weltkrieg einen immer stärkeren deutschen Einfluß, da zahlreiche Deutschen in angesehener Stellung in der Schweiz tätig wurden. Der schweizerische Akademikernachwuchs studierte zumeist mindestens mehrere Semester in Deutschland. 1912 wurde Kaiser Wilhelm II. in der deutschsprachigen Schweiz begeistert empfangen.

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