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Einführung
In der Zeit der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts (1914 bis 1949) erschienen in der Schweiz insgesamt 427 Briefmarken. Neben Dauermarkenausgaben herrschten die "Pro Juventute"-, aber auch Flugpostausgaben und Ausgaben zu den alljährlichen Bundesfeiern vor. Vereinzelt gab es auch schon erste Sondermarkenausgaben.
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Der 1. Weltkrieg
Militärisch war die Schweiz beim Ausbruch des 1. Weltkrieges gut gerüstet, denn man hatte einen großen Teil der Bürger in den letzten vier Jahren zuvor mobilisiert und zum Grenzdienst herangezogen. Die Schweiz wollte auf jeden Fall ihre Unabhängigkeit und Neutralität verteidigen und bewachte besonders den Abschnitt zwischen Elsaß und Südtirol, um Durchbruchversuche von den Kriegsparteien verhindern zu können. Beim Beginn des deutschen Angriffs wurde nicht die schweizerische, sondern die belgische Neutralität verletzt. Sowohl die Alliierten, als auch die Mittelmächte überwachten allerdings die schweizerischen Industrieexporte und die Schweiz war auf Importe aus den kriegsführenden Nachbarländern angewiesen.
Ab 1916, als sich die Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg abzeichnete, lenkten wirtschaftliche Belange das Interesse in der Schweiz auf die Auswirkungen des Weltkrieges. Man hatte es versäumt, rechtzeitig Rationierungen bei Dingen des täglichen Bedarfs durchzuführen. Bis 1917/18 waren große Teil der städtischen Unterschichten auf staatliche Fürsorge angewiesen, da die männlichen Familienmitglieder in der Armee dienten. Als Folge des Krieges sank zudem die Kaufkraft der Löhne um gut ein Viertel. Während in den Vorstädten die einfache Bevölkerung mit Unterernährung zu kämpfen hatte, tummelte sich in der Züricher Bahnhofstraße das internationale Schiebertum, Aktiengesellschaften schütteten Rekorddividenden aus und die Exporteure fuhren mit ihren Lieferungen in die kriegsführenden Länder horrende Gewinne ein. Ab 1917 kam es vermehrt zu Streik, da Lohnerhöhungen zur Zeit des Krieges zwar leicht durchsetzbar waren, aber man sich durch die Geldentwertung immer weniger dafür gekauft werden konnte. Die Bauernschaft profitierte zwar von der Preisentwicklung bei den Lebensmitteln, schloß sich aber in mehreren protestantischen Kantonen zu eigenen Bauernparteien zusammen.
Im November 1918 endete der 1. Weltkrieg mit der Niederlage des Deutschen Reiches und es kam in Deutschland zu revolutionären Unruhen. Am 5. November 1918 tagte der Interessenverband der Zürcher Banken. Dieser Kreis und auch andere Großbürgerliche sorgten für eine militärische Besetzung Zürichs, um Aufstände wie in Deutschland zu verhindern. Die Arbeiterorganisationen riefen daraufhin den Generalstreik aus, an dem 250.000 Personen teilnahmen. Ein Truppenaufgebot von 100.000 Mann, das aus bäuerlichen Bataillonen bestand, sollte diesen Streik bekämpfen. Ein blutiger Konflikt konnte gerade noch vermieden werden, weil man sich nach drei Tagen auf einen Streikabbruch einigte. Insgesamt kann man den Streik als Fehlschlag ansehen, da sich nur ca. 45 Prozent der organisierten Lohnabhängigen beteiligten. Die Sozialdemokraten konnten sich zwar mit 23,5 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen verbessern, aber die neuen regionalen Bauernparteien mit ihrem starken rechtsradikalen Einschlag kamen auf ein ähnliches Ergebnis. Lange Jahre hielt sich das Märchen, daß im Jahre 1918 ein Umsturz nur knapp abgewehrt werden konnte und daß die sowjetische Botschaft die Novemberunruhen angezettelt hätte. Bis 1946 fror man die Beziehungen zur Sowjetunion ein.
Die wahren Ursachen des Generalstreik lagen weniger in politischen Motiven, als an der materiellen Not breiter Bevölkerungskreise während und am Ende des 1. Weltkrieges. Getragen wurde der Streik besonders von jungen Männern in größeren Städten, die unverheiratet und wenig in die Gesellschaft integriert waren. Sie waren meist in sozialistischen Jugendorganisationen, die sich von der Sozialdemokratie abwandten und sich mehr und mehr radikalisierten. Die Radikalsten unter ihnen schlossen sich im November 1920 zum "Kommunistischen Jugendverband" zusammen, noch bevor sich eine kommunistische Partei bildete. Die Krise am Ende des 1. Weltkrieges zeigt aber auch eine Krise des schweizerischen Selbstverständnisses: man glaubt, daß Krisen meist von außen ins Land getragen werden und schottet sich seitdem gerne gegen Zuwanderung ab, um eine Überfremdung zu verhindern.
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Die Ausgaben während des 1. Weltkrieges
Im ersten Kriegsjahr 1914 erschien am 1. Juli eine Freimarkenserie mit drei Werten "Tell mit Armbrust" sowie im Juli die ersten Sondermarken der Schweiz mit drei Marken "Landschaftsbilder". Neben Dauermarkenergänzungswerten verausgabte man am 1. Dezember 1915 die erste frankaturgültige "Pro Juventute"-Ausgabe, wobei es sich um zwei Marken handelte. Am 1. Dezember 1916 waren es dann schon drei Marken, wie auch im Jahre 1917. Im Jahre 1918 wurden am 1. Dezember nur zwei Marken "Pro Juventute" herausgegeben und 1919 erschienen am 30. April die erste Flugpostmarke, eine Sondermarkenserie zum Abschluß des Friedensvertrages am 1. August und am 1. Dezember die "Pro Juventute"-Marken.
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Die Nachkriegszeit bis 1933
Der Überfall auf Belgien spaltete während des Krieges das Land bezüglich der Sympathien für die Kombattanten Deutschland/Österreich und Frankreich/England/Italien entlang der Sprachgrenze, wobei auch Gegensätze aus der Vorkriegszeit zwischen den "Welschen" und "Deutschen" in der Schweiz eine Rolle spielten. Es gab heftige polemische Debatten in der Presse und im Parlament. Einzelne Versuche der französischsprachigen Landesteile, Beschlüsse gegen die Mittelmächte zu initiieren, bedrohten den inneren Frieden. Zwar gelang es gesamtschweizerischen Organisationen wie der "Neuen Helvetischen Gesellschaft" durch Diskussionen, die Gegensätze zwischen den Sprachgruppen in der Schweiz zu verringern, aber insbesonders der Oberkommandierende der Armee, General Ulrich Wille galt als sehr deutschfreundlich.
Nachdem die Spannungen zwischen den Volksgruppen überwunden schienen, gab es sozialen Unfrieden. Die liberale Einstellung zur Wirtschaft machte Kriegsgewinne möglich, die Bauern galten als privilegiert, aber eine ungenügende Sozialpolitik führte dazu, daß bei steigenden Preisen die Einkommen der Arbeiter, Angestellten und Beamten immer weniger Kaufkraft besaßen. Ein langer Militärdienst konnte sogar zur Entlassung führen. Die Sozialdemokraten betrieben ab 1917 offene Opposition im Bundesrat. In den letzten Kriegstagen im November 1918 kam es zum Generalstreik, um eine Verbesserung der sozialen Lage und eine Erweiterung der demokratischen Grundrechte zu erreichen. Vom Bürgertum wurde dieser Streik als bolschewistischer Umsturzversuch angesehen, obwohl nur wenige Linke revolutionär eingestellt waren. Mit einem großen Militäreinsatz aus bäuerlich und katholisch geprägten Kantonen wurde der Generalstreik in drei Tagen niedergekämpft. Zwischen Bürgerlichen und Sozialisten herrschte seitdem lange Jahre hinaus Mißtrauen. Bei den Nationalratswahlen von 1919 verloren die Freisinnigen 45 Sitze und gingen von 105 auf 60 zurück, die Hälfte dieser Sitze ging an die neue "Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei", die aus sieben Kantonen 29 Sitze erhielt, wobei 15 Mandate allein aus dem Kanton Bern kamen. Die Katholisch-Konservativen verblieben zwar bei 41 Nationalräten, erhielten aber einen zweiten Bundesratssitz und setzten eine Wiederaufnahme der Beziehungen zum Vatikan durch, die 1873 abgebrochen worden waren. Die Sozialdemokraten erlangten die andere Hälfte der bisher freisinnigen Sitze im Nationalrat und hatten nun 41, statt 22 Sitze. Bis 1928 konnten sie die Abgeordnetenzahl auf 50 Sitze steigern, kamen jedoch nie über 28 Prozent der Stimmen hinaus. Nur in Industriezentren wie Biel und La Chaux-de-Fonds und einige Zeit auch in Basel, Genf und Zürich konnten sie die Mehrheit erlangen. Da sie sich 1920 gegen die Dritte Internationale aussprachen, spaltete sich eine Kommunistische Partei ab, die aber nur in Basel, Schaffhausen und Zürich eine Zeit lang Erfolge erzielte.
Die Zeit zwischen den Kriegen 1919 bis 1939 läßt sich insgesamt als bürgerlichen Zusammenschluß und sozialdemokratische Opposition charakterisieren. Da aber auch die Freisinnigen und Katholisch-Konservativen jeweils einen linken Parteiflügel besaßen, konnten trotzdem soziale Fortschritte erzielt werden. Schon kurz nach dem Generalstreik wurde ein von den Sozialdemokraten eingebrachtes Fabrikgesetz mit einer 48-Stunden-Woche per Volksabstimmung angenommen sowie eine Arbeitslosenversicherung und 1925 fanden ein Verfassungsartikel über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung Zustimmung. Verworfen wurden allerdings weitergehende Initiativen, wie 1924 der Versuch der Bürgerlichen, die Arbeitszeit von 48 auf 54 Stunden zu erhöhen, oder 1922 die Einführung einer Vermögensabgabe. Zwischen den industriell und agrarisch geprägten Kantonen und Gemeinden gab es zudem starke Unterschiede in der Sozialgesetzgebung.
Ein wichtiges Thema jener Jahre war die Angst vor "Überfremdung", was wohl mit ein Grund war, daß sich das politische Gewicht nach rechts verschoben hatte. Im Laufe der 20er Jahre beruhigten sich die Gegensätze zwischen den Lagern, aber es kam auf Bundesebene keine länger andauernde Reformperiode zustande. Vieles konnte nur auf lokaler Ebene realisiert werden, wie soziale Reformen, Stadtplanung und Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbau. Die Gewerkschaften zeigten sich zur Zusammenarbeit mit der Politik bereit und schworen 1928 dem Klassenkampf ab. 1930 nahm erstmals ein Mitglied der Regierung am Jahreskongreß des Gewerkschaftsbundes teil. Die Freisinnigen ihrerseits vollzogen allmählich eine Abkehr von der "reinen Lehre" des Wirtschaftsliberalismus und waren nun zum Abschluß von Tarifverträgen mit den Gewerkschaften bereit. Im Unterschied zu Deutschland, Großbritannien und Skandinavien waren in der Schweiz landesweite Arbeitsverträge nicht die Regel. Besonders die Großindustrie stand bis zum Ende des 2. Weltkrieges den Gewerkschaften feindlich gegenüber und nur im Handwerk und in der Baubranche wurden die Gewerkschaften zögernd als Tarifpartner akzeptiert. Da die Kommunistische Partei zum Sammelbecken der Radikalen wurde, näherten sich die Gewerkschaften immer mehr der Gesamtgesellschaft an. Die Verbände wurden im Laufe der 20er Jahre immer mehr zentralisiert.
Zu jener Zeit konnte man die Schweiz allerdings als frauenfeindliches Land ansehen. In der Gewerkschaft ging ihr Anteil sogar stark zurück. Parallel dazu fehlten den Frauen in der Politik die Rechte, um sich Gehör zu verschaffen. Auch eine Unterschriftenaktion von 1929 mit über 250.000 Unterschriften, von denen 79.000 von Männern kamen, änderte die Situation nicht. Weltanschaulich schotteten sich die einzelnen Lager ab, was besonders für die Katholisch-Konservativen und die Liberal-Freisinnigen galt. Ähnlich wie in den Niederlanden kann man deshalb von einer "Versäulung" der Gesellschaft sprechen. Die föderale Struktur des Landes führte zu regionalen Eigenheiten. Der Katholizismus war landesweit nur eine Minderheit, aber regional besaß er als ländliches Honoratiorentum oder christlich-soziale Gruppierung in den Städten durchaus häufig die Mehrheit und war sehr gut organisiert. Die Freisinnigen wurden in den Industrie-Kantonen zur Unternehmer- und Angestelltenpartei, in den ländlichen Gebieten, besonders im vom Katholizismus dominierten Luzern, St. Gallen und Wallis waren sich noch lange kulturkämpferisch. Die Sozialdemokraten konnten nur in den Industriegebieten und großen Städten eine starke Opposition stellen und auf kantonaler und kommunaler Ebene sogar Regierungsämter bekleiden.
Konservative und Liberale waren sich einig in der Abwehr der politischen Linken. Teilweise waren diese Kreise sogar antisemitisch eingestellt und ab 1926 gab es rassistisch motivierte Kampagnen gegen nichtseßhafte Zigeuner. Obwohl es zwischen den Lagern starke Gegensätze gab, verlief der Alltag relativ friedlich und es fehlte der aggressive Nationalismus, der in der deutschen Politik vorherrschte.
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Die Ausgaben der 20er Jahre
Die Außenpolitik nach dem 1. Weltkrieg
Während des Krieges war die neutrale Schweiz eine Insel für Asylsuchende gewesen. Im Versailler Friedenvertrag wurde die Neutralitätserklärung von 1815 bestätigt, aber das nie ausgeübte Besetzungsrecht in Savoyen wurde aufgehoben, was zum Streit mit Frankreich führte, das die Freizonen um Genf herum ohne Zustimmung der Schweiz neu geregelt hatte. Ein Beschluß des Hager Schiedsgerichtshofes fiel allerdings zugunsten der Schweiz aus. Da das Elsaß wieder zu Frankreich kam, verlor das schweizerische Nordjura seine verkehrspolitische Bedeutung. Der Verlust Südtirols, das von Österreich zu Italien kam, hatte für die Schweiz nur lokale Auswirkungen. Dem 1919 von Vorarlberg geäußerten Wunsch nach einem Anschluß an die Schweiz standen die Eidgenossen sehr zurückhaltend gegenüber, zumal der Friede von St. Germain bestimmte, daß das Gebiet bei Österreich bleiben sollte. Wichtig war, daß sich das Fürstentum Lichtenstein, das viele Jahrhunderte lang eng mit Österreich verbunden war, sich nach dem Ende des 1. Weltkrieges enger an die Schweiz anlehnte. Kirchenpolitisch gehörte es zur Diözese Chur und die Eidgenossen übernahmen die diplomatische Vertretung sowie den Post- und Telegraphendienst und das Zoll- und Münzwesen.
Ein wichtiges Ereignis war der Beitritt zum Völkerbund, wobei die Schweiz allerdings von der Verpflichtung zu Militäraktionen freigestellt war. Wegen Bedenken der deutschsprachigen und antibürgerlichen Kräfte in der Schweiz kam die Zustimmung zum Beitritt im Jahre 1920 allerdings nur knapp zustande, was auf die hohe Zustimmungsrate im französischsprachigen Teil der Schweiz zurückzuführen war. Genf wurde sogar auf Fürsprache des amerikanischen Präsidenten Wilson Sitz des Völkerbundes.
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Die Ausgaben der 30er Jahre
In den 30er Jahren wurde die Ausgabepolitik zwar im Wesentlichen auch noch von den "Pro Juventute"- und Flugpostmarken bestimmt, aber es gab weitere Sondermarkeneditionen und auch die ersten vier Blocks der Schweiz und bei den Freimarken das Motiv Landschaftsbilder. So erschienen am 2. Februar 1932 eine sechsteilige Serie "Abrüstungskonferenz" und am 31. Mai drei Marken "30 Jahre St.-Gotthard-Tunnel". Am 2. Juli 1934 erschienen die ersten Werte der Dauermarkenserie "Landschaftsbilder" (im Buchdruck) und am 28. September anläßlich der "NABA" der erste Block.
1935 wurden zum ersten Mal "Pro Patria"-Marken herausgegeben, die es am 2. Oktober 1936 in Blockform gab (auch diese Ausgabe hat seitdem - neben den "Pro Juventute"-Marken - einen festen Platz im Jahresprogramm der Schweiz) und die nächsten "Landschaftsbilder" (im Stichtiefdruck, wobei zwischen glattem und geriffeltem Gummi zu unterscheiden ist) erschienen am 2. November 1936. Die interessantesten Ausgaben des Jahres 1937 waren die Sondermarke "Automobil-Postbüro" und der dritte Block anläßlich "25 Jahre Pro Juventute". Im Jahre 1938 erschienen erstmals Marken zum Thema "Pro Aero" und zur "Bundesfeier" sowie eine Sondermarkenedition "Internationales Arbeitsamt und Völkerbund" und der vierte Block zur "Briefmarkenausstellung Aarau". Ein Novum stellten die beiden Ausgaben "Schweizerische Landesausstellung" vom 1. Februar bzw. 6. Mai 1939 dar, weil es diese Marken jeweils mit deutscher, französischer und italienischer Inschrift gab, um die Gleichberechtigung dieser drei Landessprachen zu demonstrieren. Nennenswert sind noch die Sonderausgaben "Pro Patria", die diesmal dem Ereignis 600. Jahrestag der Schlacht bei Laupen gewidmet war, und die Ausgabe vom 22. August zu Ehren des "Roten Kreuzes".
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Die faschistische Bedrohung
Nachdem die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des 1. Weltkrieges überwunden waren, kam es 1931 zur Weltwirtschaftskrise, von der alle Industriezweige betroffen waren. Die Textilindustrie in der Ostschweiz und St. Gallen brach zusammen und es gab Massenarbeitslosigkeit. Die Krise setze allerdings in der Schweiz erst später als in Deutschland ein und hatte bei weitem nicht das Ausmaß wie in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Dafür dauerten die Auswirkungen bis 1936 länger als in anderen Ländern. Die deflationäre Politik des Bundesrates verstärkte die Krise und es gab Exportschwierigkeiten, weil besonders die Banken die Stabilität des Schweizer Franken verteidigten. Um einen Mißbrauch von Referenden durch die Linke zu verhindern, wandte man immer häufiger das Dringlichkeitsrecht an, das die direkte Demokratie ausschaltete. Die Linken - Sozialdemokraten und Kommunisten - konnten aus der Weltwirtschaftskrise kein Kapital schlagen, weil sie nie an die 30 Prozent der Stimmen kamen.
Ab 1933 erhielten in der Schweiz rechtsradikale Elemente starken Zulauf, wobei es traditionalistisch-aristokratische, katholisch-ständestaatliche, kleinbäuerlich-sozialrevolutionäre und nationalsozialistisch-antisemistische Gruppierungen gab. Die bedeutendste Gruppe war die "Nationale Front" und auch der Kampf zwischen Bürgerlichen und der Sozialdemokratie ging weiter. 1932 gab es beispielsweise in Genf blutige Zusammenstösse zwischen Antifaschisten und Truppenaufgeboten. Es gab Abstimmungen über eine Revision der Bundesverfassung, die Stärkung des Staatsschutzes und die Einführung einer Planwirtschaft, aber weder rechte noch linke Ultras erhielten für ihre Vorschläge die nötige Mehrheit. In der italienischsprachigen Schweiz besaß Mussolini einige Anhänger, aber das Ansehen sank, als Hitler mit seiner These "Heim ins Reich" in der gesamten Schweiz als Bedrohung angesehen wurde. Auch die Deutschstämmigen verurteilten die deutsche Annexionspolitik, wobei es weniger um die Zerstörung der Eidgenossenschaft, sondern vielmehr um den Erhalt eines freiheitlich-demokratischen Staates ging. Man betonte nun ganz bewußt das vielsprachige System im Land und erklärte 1938 das Rätoromanische zur vierten Landessprache.
Die Schweiz wurde für viele deutsche Emigranten zum Zufluchts- und Durchreiseland. Sowohl für Bürgerliche als auch Sozialdemokraten wurde der Kampf gegen die nationalsozialistische Bedrohung zur wichtigsten Aufgabe. Ab 1935 besserte sich zusätzlich die wirtschaftliche Lage, wozu auch eine Abwertung des Franken im September 1936 beitrug. Im gleichen Jahr, als der Wahlsieg der "Volksfront" in Frankreich bei den Arbeitgebern für Besorgnis sorgte und man ein Übergreifen sozialer Unruhen auf die Schweiz befürchtete, schlossen sich Vertreter aus der Industrie, dem Banken- und Versicherungswesen in außerparteilichen Organisationen zusammen. Im Juli 1937 kam es zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der wichtigen Metall- und Uhrenindustrie zu einem Friedensabkommen, wobei beide Seite auf einseitige Maßnahmen verzichteten und das Schiedsverfahren zur Konfliktlösung eingeführt wurde. Die Gewerkschaften waren endgültig als Verhandlungspartner anerkannt. Das Modell wurde von anderen Industriezweigen übernommen und sicherte somit den sozialen Frieden.
Überhaupt kam es seit 1937 zu einer Beruhigung der innenpolitischen Lage. Zwar wurden alle Gesetzesvorlagen zwischen 1934 und 1938, sofern sie durch das Dringlichkeitsrecht erst gar nicht zur Volksabstimmung kamen, abgelehnt, aber im Juni 1939 fand eine Finanzvorlage mit dem Titel "Ausbau der Landesverteidigung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit", die erstmals auch von den Linken unterstützt wurde, die Zustimmung der Bevölkerung. Es herrschte die Einsicht vor, daß nur durch soziale Gerechtigkeit der innere Frieden und die Abwehr der Gefahr, die besonders aus Deutschland der Eidgenossenschaft drohte, gelingen könnte.
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Die Schweiz während des 2. Weltkrieges
Außenpolitisch war es für die Schweiz schwierig, die Balance zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien auf der einen und den Völkerbundstaaten auf der anderen Seite zu wahren. 1938 kehrte die Schweiz deshalb zur "integralen Neutralität" zurück. Als sich der 2. Weltkrieg abzeichnete, ergriff man unfassende militärische und kriegswirtschaftliche Maßnahmen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 wurde die Armee mobilisiert. Der Fall Frankreichs und der Kriegseintritt Italiens führten zu einer territorialen Isolation der Schweiz, da das ganze Land von kriegsführenden bzw. besetzten Ländern umgeben war. Im Sommer 1940 beschloß man deshalb, die Armee in den Alpen zusammen zu ziehen, um einen Angriff abwehren zu können. Ein deutscher Angriff auf die Schweiz erfolgte allerdings nicht, da man in Frankreich erfolgreich war und weil die Schweiz als Transitland für Italien und Deutschland großen Nutzen versprach. Der militärische Zusammenbruch Frankreichs im Juni 1940 weckte in rechten Kreisen der Schweiz neue Hoffnungen. Das Zeitalter der Französischen Revolution und der Demokratie schien beendet zu sein. Der Haß der Rechtsradikalen galt nicht so sehr der direkten Demokratie, sondern dem Parlament. Als nationaler Retter wurde General Guisan angesehen, der 1939 zum Heereschef gewählt worden war und aus dem Waadt stammte. Vom Alter her erinnerte er mit seinen 65 Jahren stark an den französischen Marschall Pétain, der im nicht besetzten Teil Frankreichs an die Macht kam.
Es gelang der Schweiz, Vereinbarungen über notwendige Importe mit den Achsenmächten zu erzielen, wobei eine restriktive Flüchtlingspolitik Hitler besänftigen sollte. Zur Zeit der deutschen Vormacht in Europa gingen ca. 42 Prozent der Exporte nach Deutschland oder die besetzten Länder und 80 Prozent kamen aus diesen Gebieten. Außerdem übernahm man diplomatische Vertretungen für die Kriegsgegner beider Lager. Neben Schweden war die Schweiz das einzige Land in Europa, das während des 2. Weltkrieges neutral bleiben konnte. Durch den Kriegsverlauf gelang es ab 1942 der politischen Linken, Boden gut zu machen. Nach der deutschen Niederlage bei Stalingrad drehte sich die Diskussion zunehmend um die Zeit nach dem Kriege und antidemokratische Kräfte verstummten mehr und mehr. Im Herbst 1943 gelang es den Sozialdemokraten, an der Regierung teilzunehmen. Sie verzichteten dabei auf eine angemessene Vertretung bezogen auf die erreichten Stimmen und auf verbindliche Koalitionsabsprachen. Da ihr Vertreter das Finanzdepartement bekleidete, konnten sie 1944 bei der Schaffung einer Altersversicherung noch nicht einmal angemessen mitwirken. Wichtiger als Parlament und Regierung waren die Verbände, die seit der Weltwirtschaftkrise und während des 2. Weltkrieges nochmals an Zuwachs gewonnen hatten. Ihren Einfluß setzten sie durch Vetoandrohungen bei Referenden durch.
Für ihr Verhalten während des Krieges wurden die Schweizer sowohl von Migranten wie Tucholsky, als auch von Nationalsozialisten wie Joseph Goebbels gerügt, da man sie als wirtschaftliche Opportunisten ansah, die nur ihren Profit suchten. Auch von alliierter Seite gab es den Vorwurf, daß die Schweiz nur deshalb keine klare Position bezogen hätte, um mit allen Seiten gute Geschäfte machen zu können.
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Die Ausgaben der 40er Jahre
Die Schweiz nach dem 2. Weltkrieg
Als im Mai 1945 der 2. Weltkrieg zu Ende ging, wurden überall in Europa Regime gestürzt, die mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hatten. In Osteuropa etablierte die Sowjetunion kommunistische Systeme. In der Schweiz war man besorgt, ob es zu linken Aufständen, wie dies nach dem 1. Weltkrieg in vielen Ländern der Fall war, kommen würde. Die Zusammenarbeit der sog. "Mitte" hatte sich in den letzten Jahren bewährt, auch wenn nun wieder stärker polemisiert wurde. In den Jahren 1945/46 wurden die Gewerkschaften endgültig als Tarifpartner anerkannt, wobei die Schweiz eines der letzten Industrieländer war, in dem dies der Fall war. 1947 wurde mit über 80 Prozent Zustimmung die Altersversicherung beschlossen, obwohl starke wirtschaftsliberale Unternehmergruppen und föderalistische Gegner dagegen ankämpften. Dieses Gesetz gilt seitdem als Symbol des nationalen Interessenausgleichs.
1947 setzte der Kalte Krieg zwischen den ehemaligen Alliierten ein und anstelle des nationalsozialistischen Deutschlands kam die Bedrohung von außen nun von der Sowjetunion. Dieses Thema wurde besonders von konservativ-katholischen und schon immer deutschfreundlichen Kreisen aufgegriffen. In der ihnen wohlgesinnten Presse sprach man vom "Kreuzzug gegen den Kommunismus". Auch die Sozialdemokraten sahen spätestens ab 1949 im Kommunismus eine Bedrohung. In der Kommunistischen Partei der Schweiz, die lokal in Lausanne oder Basel nach dem Kriege einige Erfolge erzielen konnte und ab 1948 allerdings unter starkem Wählerverlust litt, gewannen die Stalinisten die Oberhand. Trotz des neuen Feindbildes war die Schweiz aber so pragmatisch, schon im Jahre 1946 die seit 1918 abgebrochenen Beziehungen zur Sowjetunion wieder aufzunehmen.
War die Schweiz während des Krieges international isoliert, so wurde sie im Sommer 1947 zur Pariser Konferenz über den Marschall-Plan eingeladen und ein gern gesehener Kreditgeber beim Wiederaufbau des zerstörten Europas. Trotz aller Kritik am Verhalten der Schweiz während des Krieges wurde anerkannt, daß die Mehrheit der Bevölkerung den deutschen Nationalsozialismus abgelehnt hatte.
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