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Einführung
Wahrend der 35 Jahre dauernden Regierungszeit Christians X. wurden insgesamt 265 Briefmarken verausgabt. Neben der Serie "Ziffern mit Wellenlinien" gab es bei den Dauermarken Ergänzungswerte zur Serie "Christian X.", das Motiv "Karavelle" und ab 1946 die ersten Werte der Serie "Staatswappen". Besonders ab den 30er Jahren wurden zudem immer mehr Sondermarken zu bestimmten Anlässen emissiert.
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Dänemark im 1. Weltkrieg
Seit der Annexion von Schleswig-Holstein durch Preußen und die folgenden Maßnahmen zur Eindeutschung in Nordschleswig herrschte in Dänemark eine antideutsche Stimmung. Als im Sommer 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, wurden Armee und Marine mobilisiert, da man Angst vor britischen oder deutschen Militäroperationen zur Kontrolle der Zufahrtswege in die Ostsee befürchtete. Um Deutschland nicht zu erzürnen, versprach man am 30. Juli 1914 eine "wohlwollende Neutralität" im Falle eines Krieges, zumal Deutschland erklärte, daß man keine Aggression gegen Dänemark plane. Die Bevölkerung allerdings machte am 2. August ihrer Abneigung gegen Deutschland in Massendemonstrationen Luft. Der König warnte deshalb vor diesen Unbesonnenheiten und forderte bei der Presse Unparteilichkeit ein. Gleichzeitig bekräftigte Dänemark man 3. August nochmals, daß man sich völlig neutral verhalten würde. Dem König war klar, daß bei einem deutschen Angriff eine ausländische Flottenhilfe zu spät kommen würde. Dänemark verminte sogar auf deutschen Wunsch hin den Großen Belt. Da Großbritannien keine Flotte in die Ostsee entsenden wollte, konnten die Dänen die Briten davon überzeugen, daß bei einer dänischen Weigerung eine Verminung durch deutsche Schiffe erfolgen würde. Auf Grund der geographischen Lage trugen alle dänischen Parteien diese Politik mit und die linksliberale Regierung unter C. Th: Zahle (Radikale Venstre) verbot sogar antideutsche Demonstrationen, um Deutschland keinen Vorwand für Aktionen gegen Dänemark zu liefern.
Dänemark sicherte sich zudem durch einen Anschluß an die Neutralitätsproklamation der anderen skandinavischen Staaten ab. Die Beziehung zum deutschfreundlichen Schweden verbesserte sich zusehends, was sich auch in den Dreikönigstreffen der nordischen Staaten in Malmö im Dezember 1914 und in Oslo im November 1917 zeigte. Wirtschaftlich profitierte Dänemark von seiner Neutralitätspolitik, da beide Kriegsparteien am Warenbezug aus Dänemark interessiert waren. Gleichzeitig arbeiteten die nordeuropäischen Staaten enger zusammen. Obwohl die Schweden deutschfreundlich gesinnt waren, wünschten sie eine engere Zusammenarbeit mit Dänemark. Norwegen hatte Interesse an dänischen Agrarerzeugnissen, weil die englischen Lieferungen durch deutsche U-Boote behindert wurden. Dänemark trieb mit allen kriegsführenden Parteien Handel, aber für die dänische Handelsflotte stellten die Minen und später der deutsch U-Boot-Krieg ein großes Problem dar. Bei Unfällen kamen 700 Seeleute zu Tode. Es gab eine starke Nachfrage nach dänischen Waren und Agrarprodukten, aber es fand eine staatliche Regulierung statt, um die Versorgung innerhalb Dänemarks für alle Bevölkerungsteile und -schichten sicher zu stellen. Trotzdem litt die Bevölkerung besonders in der zweiten Hälfte des 1. Weltkrieges unter Rohstoffmangel. Weil dies eine Radikalisierung von Teilen der Arbeiterschaft zur Folge hatte, entschlossen sich die Bürgerlich-Liberalen, die Sozialdemokraten, die als gemäßigt galten, in die Regierungsverantwortung einzubinden.
Im Inneren rationierte Dänemark den Bezug von Lebensmitteln, um möglichst die Versorgung aller Bevölkerungsschichten gewährleisten zu können. Anfangs 1918 kam es dennoch zu Engpässen bei der Fleischversorgung und die Wochenration wurde auf nur 280 Gramm für Erwachsene begrenzt. Auch die Zuckerzuteilung, die schon stark rationiert war, wurde auf zwei Kilogramm pro Person im Monat beschränkt. Größere soziale Unruhen konnten in Dänemark vermieden werden, auch wenn am 11. Februar 1918 Sozialrevolutionäre die Kopenhagener Börse zerstörten. Es kam zu keinem Umsturz, denn die Sozialdemokraten hofften auf die geplanten Wahlen. Alle Parteien waren sich einig, keinen Wahlkampf mit antideutschen Parolen führen zu wollen, was besonders nach dem Frieden von Brest-Litovsk und der deutschen Westoffensive ein Gebot der Stunde zu sein schien.
Im Jahre 1915 kam nach den großen Wahlerfolgen der Sozialdemokraten und Linksliberalen auch die Verfassungsdiskussion wieder in Gang und es wurde ein neues Grundgesetz beschlossen mit einem allgemeinen und gleichen Wahlrecht für Männer und Frauen für beide Kammern, wobei das Wahlalter bei 25 Jahren für das Folketing und 35 Jahre für das Landsting lag. Außerdem führte man ein Verhältniswahlrecht ein. Bei den Wahlen vom 22. April 1918 erhielten die Liberalen 272.000 Stimmen, die Sozialdemokraten 263.000, die Radikalen 192.000 und die Konservativen 168.000 Stimmen. Sozialliberale und Sozialdemokraten konnten somit ein Regierungsbündnis abschließen. Ende Oktober forderten die Sozialdemokraten die Einführung des Achtstundentages, worauf viele Unternehmer mit Aussperrungen reagierten. Allerdings kam es bald zu einem Friedensschluß zwischen Arbeitgebern und -nehmern. Regierung und Opposition beschlossen ein Gesetz, das zum 1. Januar 1918 den Achtstundentag realisierte. Dieses Aufeinanderzugehen war die Geburt des zukünftigen dänischen Wohlfahrtstaates, zumal im Oktober 1919 gegen den Widerstand konservativer Gutsbesitzer die "Bodengesetze" beschlossen wurden, die die bisher benachteiligten Kleinbauern und Kätner nicht länger daran hinderten, eine selbsttragende Landwirtschaft aufzubauen.
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Die Ausgaben bis 1920
Die zehn Marken mit dem Porträt von König Christian X., die vom 1. Oktober 1913 bis 2. August 1915 erschienen, gibt es sowohl aus Bogen als auch von der Rolle. Bei den Rollenmarken gibt es interessante Zusammendruckkombinationen, die auch im Michel-Katalog gelistet werden. Außerdem gab es in diesem Jahr vier Ergänzungswerte der "Ziffernserie" (mit Wz. 4). 1915 erschienen die Marke "Hauptpostamt Kopenhagen" (aus dem Jahre 1912 mit Wz. 4) sowie zwei Aufdrucke "DANMARK / POSTFRIM." (auf Dienstmarke Nr. 6 B und Michel-Nr. 26). Für 1918 sind Verrechnungsmarken zu nennen mit Aufdruck des Wertes zu 27 Öre und dreizehn neue Werte der Dauermarkenserie "König Christian X.".
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Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg
Am Ende des 1. Weltkriegs hofften die Dänen in Nordschleswig auf eine Wiederanschluß an Dänemark. Zur Zeit der preußischen Herrschaft waren sie in ihrer kulturellen und politischen Entwicklung stark eingeschränkt gewesen, mußten aber als preußische Staatsangehörige in der Reichswehr dienen, was 5.000 Tote zur Folge hatte. Besonders der Vertreter der Dänen im Berliner Reichstag, H. P. Hansen, forderte für seine Leute ein Selbstbestimmungsrecht, wobei er sich auf die Erklärungen des amerikanischen Präsidenten Wilson bezog.
Für Dänemark ergab sich die völlig neue Situation, daß Deutschland durch den verlorenen Krieg und die Reparationszahlungen auf Jahre hinaus geschwächt war. Rußland verlor ebenfalls für Dänemark an Bedeutung und die neuen Ostseestaaten waren für die Verteidigung Dänemarks bedeutungslos. Man machte sich allerdings keine Illusionen, daß Deutschland auf Dauer keine wichtige Rolle in Europa spielen würde, da es ein enormes industrielles Potential besaß, daß auch militärtechnisch nutzbar sein konnte. Gegen den Willen breiter Bevölkerungskreise beschränkte sich Dänemark deshalb auf eine national definierte Grenze nördlich von Flensburg und sah von der Okkupation deutschen Territoriums ab, das einmal zu Dänemark gehört hatte. Über eine Aussöhnung mit Deutschland wurde außerdem nachgedacht. Besonders die Sozialdemokraten und Sozialliberalen in Dänemark blickten mit großem Interesse auf den Aufbau der Demokratie in Deutschland durch die Weimarer Republik. Die wirtschaftliche Instabilität des Nachbar, die zu einem großen Teil auf den hohen Reparationszahlungen basierte, löste Besorgnis aus. Die meisten Dänen sahen sich vor allem an England und die skandinavischen Nachbarn gebunden und auch dem Völkerbund trat man bei, obwohl man ihn nicht als geeignetes Instrument für einen dauerhaften Frieden ansah.
Im Versailler Vertrag wurde eine Volksabstimmung für Schleswig festgeschrieben. In Dänemark war man sich aber nicht einig, welche territorialen Ansprüche erhoben werden sollten. Die Nationalisten wollten das gesamte Schleswig zurückhaben, zumindest aber die Gebiete nördlich der Schlei. Die dänische Regierung wollte aber die Volksabstimmung abwarten, in der über eine Grenze nördlich von Flensburg und südlich von Tondern abgestimmt werden sollte. Als die Flensburger mehrheitlich für einen Verbleib bei Deutschland stimmten, begann der dänische König im Frühjahr 1920 einen Verfassungsbruch und setzte die linksliberale Regierung unter Zahle ab. Er konnte sich zwar auf die Konservativen und Nationalisten stützen, aber die linken Parteien (besonders die Sozialdemokraten und die 1919 gegründeten Kommunisten) drohten mit Generalstreik und Ausrufung der Republik, so daß Christian X. nachgab und Neuwahlen ausschrieb.
Bei den Wahlen im April 1920 erzielte die Venstre ein Drittel der Stimmen und konnte mit Unterstützung der Konservativen die neue Regierung stellen. Zweitstärkste Partei wurden die Sozialdemokraten, die mit ihrem Programm, die Verteidigungsausgaben zu begrenzen und die Festung Kopenhagen zu schleifen, einen großen Erfolg erzielten und 48 Mandaten hinter den Liberalen im Reichstag stellten. In Dänemark gab es einen starken Preisverfall und ein Absinken der Industrieproduktion, was mit stark steigender Arbeitslosigkeit einherging. Als 1922 einige Banken in Konkurs gingen, konnte die "Landmandbank" nur mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Die Sozialdemokraten schlugen vor, öffentliche Aufträge wie z. B. den Bau einer Brücke über den Kleinen Belt zu vergeben, um die Wirtschaft zu sanieren, was auch in liberalen und konservativen Bevölkerungsteilen Anklang fand. Die von den Unternehmern geforderte Absenkung der Löhne und Aufhebung des Achtstundentags stieß bei den Gewerkschaften auf Ablehnung, wurde aber von den Liberalen unterstützt. Deshalb kam es in den Jahren 1921 und 1922 zu Arbeitskämpfen in Dänemark, was auch zu einer Polarisierung in Gesellschaft und Politik führte. Zwar wurden die Altersrenten verbessert, aber die Masse der Unzufriedenen unter den Arbeitern und Bauern konnte damit nicht befriedigt werden, so daß es keine Wunder war, daß die Sozialdemokraten die Wahlen vom 11. April 1924 mit 470.000 Stimmen grandios gewannen: unter Thorvald Stauning (1874-1942) konnte eine sozialdemokratische Regierung gebildet werden. Maßgeblich trug zum Erfolg auch das 1923 in Odense beschlossene Parteiprogramm bei, in Dänemark einen "Wohlfahrtsstaat" nach schwedischem Muster einzurichten. Auch Dänemark litt unter der Depression mit erheblichem Preisverfall (bei landwirtschaftlichen Produkten bis zu 40 Prozent) und sinkender industrieller Produktion.
Zunächst gab es aber noch schwere Arbeitskämpfe, wenn auch viele Unternehmer eine Gefahr in der Radikalisierung der Arbeiterschaft sahen und deshalb die besonnene Art der Mehrheit der sozialdemokratischen Politiker und Gewerkschaftler schätzen lernten. Nach dem größten Arbeitskampf vom 18. März bis 5. Juni 1924 wurde ein Kompromiß erzielt werden und in den folgenden Jahren wurden die Löhne zugunsten ungelernter Arbeiter angeglichen. 1922 kam es zu Bankzusammenbrüchen und Bankrotten großer Handelsgesellschaften, was eine große Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Wegen Plänen der Regierung, die staatliche Wirtschaftslenkung aus der Zeit des 1. Weltkrieges aufzuheben und den Arbeitsschutz zu liberalisieren, kam es zu Demonstrationen. Die Arbeitgeber konnten allerdings die Löhne kürzen und diese sanken zwischen 1921 und 1924 in Industrie und Handwerk um gut 30 Prozent.
Bei den Wahlen des Jahres 1924 erzielten die Sozialdemokraten unter Thorvald Stauning erstmals eine Mehrheit und konnten für zwei Jahre eine Minderheitsregierung bilden, deren arbeitsrechtliche Gesetzesvorlagen aber im Parlament scheiterten. Der Wechsel zwischen Venstre und Sozialdemokratie bei der Regierungsbildung in jener Zeit zeigt auch den Umbruch der dänischen Gesellschaft und Wirtschaft. Bisher war die Wirtschaft weitgehend von der Landwirtschaft dominiert worden und die Bauern mit der Venstre waren die stärkste politische Kraft. Industrie und Arbeiterschaft gelangten aber immer mehr Bedeutung, was sich u. a. an der Zunahme des Anteils der Industrieproduktion am Bruttosozialprodukt zeigte. Die gemäßigte Sozialdemokratie, die keine klassenkämpferischen Parolen vertrat, wurde selbst von den Industriellen für moderner gehalten, als die Bauernschaft.
Die Sozialdemokraten scheiterten an der Geldwertpolitik, da sich eine Abwertung der Krone nicht realisieren ließ. Im August 1925 war wieder der Vorjahreswert erreicht, so daß es immer schwieriger wurde, die dänischen Agrarerzeugnisse im Ausland zu verkaufen. Die Arbeitslosigkeit wuchs weiter, den 1926 waren 21 Prozent und 1927 22 Prozent der Arbeitsfähigen erwerbslos. Die Sozialdemokraten verloren die Wahlen und es kamen wieder die Liberalen an die Macht. Diese kürzten die Sozialausgaben und setzten die Einkommens- und Vermögenssteuern herunter, in der Hoffnung, daß die Unternehmen investieren und somit neue Arbeitsplätze schaffen würden. Nach 1925 machte sich die Auffassung breit, daß man den Armen das wenige, was sie hatten, zugunsten weniger Reicher nehmen würde.
Eine neuerliche Hinwendung zu Sozialdemokraten und Sozialliberalen ging einher mit Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen bezüglich einer Kürzung des Verteidigungshaushalts und dem Wunsch breiter Wählerschichten nach einer radikalen sozialpolitischen Umstrukturierung des Landes. Selbst das Kleingewerbe schlug sich auf Seiten der Linken, da auch hier Einbußen wegen mangelnder Kaufkraft sichtbar wurden. Die Regierung sollten den Arbeitern Eigentumsrechte an der Produktion zugestehen und die staatlichen Zuschüsse für Kranken- und Unfallversicherung sowie Arbeitslosenhilfe wieder erhöhen. Die Rechten verloren 20 Prozent der Sitze im Parlament, während die Sozialdemokraten 100.000 neue Wählerstimmen und acht Abgeordnetenmandate hinzugewannen. Thorvald Stauning bildete eine Koalition aus Sozialdemokraten und Radikalliberalen, um den Umbau des Staates zu realisieren, denn die Arbeitslosenquote lag bei knapp 15 Prozent.
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Die Ausgaben der 20er Jahre
Das Jahr 1929 und die Geburt des dänischen Wohlfahrtstaates
Da die Industrie im Gegensatz zur Landwirtschaft auf den Weltmärkten nicht konkurrenzfähig war, sollte der Staat helfend eingreifen. Die Sozialdemokraten wurden hierbei als Partner gesehen, da die Arbeiter ebenfalls an einer florierenden Industrie interessiert sein mußten. Auf diesem Wege wurden deshalb die Sozialdemokraten nicht nur politisch in den Staat integriert, sondern ihre Politiker konnten mit ihren Vorstellungen sogar den dänischen Sozialstaat mit seinem Wohlfahrtsgedanken begründen.
Trotz der Wirtschaftskrisen und Arbeitskämpfe vollzog sich in Dänemark in den 20er und 30er Jahren deshalb politisch eine andere Entwicklung als in den südlich gelegenen Nachbarstaaten. Als 1929 die Venstre erneut scheiterte und eine sozialdemokratisch-linksliberale Regierung ihre Arbeit aufnahm, die bis zum deutschen Einmarsch am 29. August 1943 Bestand haben sollte, begann eine Zeit sozialdemokratischer Prägung in Dänemark. Anders als in anderen Ländern erhielten antidemokratische Kräfte in Dänemark keinen Zulauf.
Die meisten Historiker sehen das Jahr 1929 als Zäsur an bei der Entwicklung Dänemarks zum Wohlfahrtsstaat. Anders als 1924 gab es nun eine Koalition, denn die Sozialliberalen unter Munch trugen die Reformbestrebungen mit. Auf Grund der Erfahrungen aus der Depression der Weltwirtschaft, glaubten Stauning und Munch, die dänische Wirtschaft durch staatliche Eingriffe ankurbeln zu können. Der Außenhandel sollte kontrolliert und eine Devisenbewirtschaftung eingeführt werden. Gleichzeitig sollte es staatliche Beschäftigungsmaßnahmen geben. Dennoch wurde auch Dänemark 1930 von der Weltwirtschaftskrise erfaßt. Die Bauern konnte kaum noch ihre Produkte absetzen und viele mußten ihre Höfe aufgeben. Anfang 1932 steig die Arbeitslosigkeit in der Industrie auf beinahe 50 Prozent. Als die Unternehmer eine Lohnsenkung um 20 Prozent forderten und sogar zum 1. Februar eine allgemeine Aussperrung androhten, griff die Regierung ein, indem sie bei den wichtigsten Industrien die Produktionsmenge reduzierte, die Preise und Arbeitslöhne festlegte, Ein- und Ausfuhren kontrollierte und die Arbeitslosigkeit auf fast 20 Prozent absenken konnte. Durch die Schaffung weiterer Kätnerstellen versuchte sie zudem, für die ärmere Landbevölkerung Arbeit zu schaffen und es konnten fast 5.000 neue Kleinbetriebe gegründet werden. Hierzu wurden die Einnahmen umgeschichtet, wovon besonders die Großbauern betroffen waren, die im Juli mit 40.000 Teilnehmern aus allen Landesteilen einen Marsch zum König organisierten. Wegen des Wohlfahrtsgedankens war der Gegensatz zwischen rechten und linken Parteien noch größer geworden.
Zum Jahreswechsel 1932/33 wurde auch Dänemark von der Weltwirtschaftskrise erfaßt, die zu einer Arbeitslosenquote von fast 44 Prozent führte. Besonders die Landwirtschaft war von Exporteinbußen stark betroffen. Auch in Dänemark erhielten nun links- und rechtsradikale Parteien Zulauf. Auf Seiten der Rechten gab es seit Ende der 20er Jahre einige Gruppen, die offen mit dem deutschen Nationalsozialismus sympathisierten, wobei allerdings zu bemerken ist, daß diese Ideologie in Dänemark nie starken Zuspruch erhielt und ihr Einfluß gering war, denn diese Gruppen konnten weder eine größere Anhängerschaft noch viele Wählerstimmen mobilisieren. Die Konservativen bewunderten Deutschland zwar, aber die demokratische gesinnten Mitglieder behielten auch in dieser Partei die Oberhand. Durch den Zugewinn Nordschleswigs waren in Dänemark auch keine territorialen Sehnsüchte vorhanden, die zur Stärkung der faschistischen Elemente beitragen konnte. Die radikale Linke hatte in Dänemark ebenfalls kaum Einfluß, obwohl die Kommunisten bei den Wahlen von 1932 zwei Mandate und 1939 sogar drei Mandate im Folketing erzielen konnte.
Wichtig für die innenpolitische Entwicklung war der Ende Januar 1933 geschlossene Pakt zwischen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung und der von der Venstre repräsentierten Bauernschaft. Es wurde ein Krisenprogramm beschlossen und die Regierung Stauning konnte mit Unterstützung der Liberalen Aussperrungen verbieten und Sozialhilfe- Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Angriff nehmen. Außerdem wurde die Krone abgewertet, um die Agrarexporte anzukurbeln. Gefördert wurde auch die Schaffung von 15.000 Kleinbauernstellen. Hierfür wurde Gutsbesitz aufgekauft.
Der Pakt war auch Basis für eine expansive Wirtschaftpolitik, die bis Ende der 30er Jahre dauerte. Zur Ankurbelung der Kaufkraft wurden staatliche Finanzhilfen gegeben. Durch eine Steigerung des Konsums sollte weitere Beschäftigung geschaffen werden. Gleichzeitig wurde aber auch auf eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz geachtet.
Bei den Wahlen vom 22. Oktober 1935 konnten die Konservativen besonders bei der Landbevölkerung Stimmen hinzugewinnen, die Sozialdemokraten kamen aber dennoch auf 46 Prozent der Stimmen. Gemeinsam mit Sozialliberalen konnte sich die Regierung auf 82 zu 67 Mandaten im Reichstag stützen. Die Wähler ließen sich besonders durch Staunings Zusage, die Wohlfahrtspolitik fortzusetzen, gewinnen. Die konservative Bauernschaft forderte, nicht länger benachteiligt zu werden und ebenfalls in den Genuß staatlicher Zuschüsse und Kredite zu kommen. Streiks von Arbeitern und Aussperrungen durch Unternehmer wurden staatlich verboten und die Regierung proklamierte, daß nur verteilt werden kann, was vorhanden ist. Die Arbeitervereinigungen gründeten eine Wirtschaftsorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, die die Wirtschaftliche Entwicklung beobachten sollte. Der gemäßigte Gewerkschaftsfunktionär Kjaerböl wurde von Stauning zum Wirtschaftsminister berufen, um die Verbindung zwischen Sozialdemokraten und sozialdemokratischer Gewerkschaftsbewegung sicherzustellen.
Bei den Wahlen 1939 verloren die Sozialdemokraten besonders wegen Stimmenverlusten in den großen Städten vier Mandate. Nutznießer waren Kommunisten und Nationalsozialisten, die jeweils drei Mandate erzielen konnten. Ende der 30er Jahre war der Wohlfahrtsstaat in Dänemark weitgehend realisiert.
Außenpolitisch war die Lage für Dänemark in der 30er Jahre ebenfalls kompliziert. Die Mitgliedschaft im Völkerbund hatte - trotz der Neutralität - zu einer engeren Anbindung an andere kleinere Staaten in Nord- und Westeuropa geführt. Nach der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 in Deutschland sah man sich aber zu leichten Kurskorrekturen gezwungen, zumal die gemeinsame Grenze wieder ein Thema wurde. 1933 hatten einige Nationalsozialisten in Schleswig eine Grenzrevision versucht, wurden aber von der Partei in Berlin gestoppt. Niemand aus Hitlers engstem Kreis forderte öffentlich eine Heimkehr Nordschleswigs "heim ins Reich". Aber die Kündigung des Versailler Vertrages konnte dennoch deutsche Grenzrevisionsforderungen nach sich ziehen.
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Die Ausgaben der 30er Jahre
Dänemark im 2. Weltkrieg
Dänemark bemühte sich, der aggressiven deutschen Außenpolitik mit Zurückhaltung zu begegnen. So verzichtete der Außenminister Peter Munch, der zur Radikalen Venstre gehörte, auch darauf, eine Grenzbestätigung von Deutschland zu erhalten. Die deutsche Aggressionspolitik gegen Österreich und die Tschechoslowakei wurde in Dänemark argwöhnisch verfolgt und befürchtete Streitereien wegen Nordschleswig. Großbritannien sagte Anfang 1939 Griechenland, Polen und Rumänien militärische Hilfe für den Fall eines Angriffs zu. Stauning hatte schon während seines Besuchs in London im April 1937 um eine derartige Garantie nachgefragt, was aber abgewiesen wurde. Am 15. April 1939 hatte der US-Präsident Roosevelt Deutschland um eine Erklärung gebeten, die kleineren Nachbarn nicht angreifen zu wollen. Nach Kündigung des deutsch-britischen Flottenvertrages und des Nichtangriffspaktes mit Polen bot der deutsche Außenminister Ribbentrop den nordischen Staaten ein derartiges Abkommen an. Dänemark traute sich nicht, den deutschen Vorschlag abzulehnen und am 31. Mai 1939 wurde in Berlin der Nichtangriffsvertrag mit einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren durch den dänischen Gesandten in Berlin unterzeichnet.
Als am 1. September 1939 der deutsche Angriff auf Polen erfolgte, erklärte Dänemark wie Schweden und Norwegen seine strikte Neutralität und hoffte, daß Deutschland dies wie im 1. Weltkrieg akzeptieren würde. Am 3. Februar 1940 erklärte Churchill, daß man Dänemark wegen seiner Nähe zu Deutschland nicht schützen könne und es deshalb keine britische Hilfe geben würde, wobei er glaubte, daß Deutschland den Nichtangriffspakt mit Dänemark brechen würde. Im April 1940 erkannte man in Dänemark, daß Deutschland eine Aktion in Norwegen plante, um britischen und französischen Plänen zuvorzukommen und zu verhindern, daß die Erztransporte aus Narvik unterbunden würden. Die Besetzung Dänemarks war erst im Februar 1940 beschlossen worden, weil die deutsche Luftwaffe auf dänischem Territorium Stützpunkte benötigte. Eine entsprechende Weisung Hitlers zur Besetzung Jütlands gab es schon seit dem 11. Dezember 1939 und am 29. Februar 1940 billigte er das Konzept für die "Weserübung". Am 5. März konnte sich Göring als Chef der deutschen Luftwaffe durchsetzen, auch Kopenhagen zu besetzen.
Dänemark versuchte, Deutschland von der Besatzung des Landes abzuhalten, indem man auf die strikte Neutralität verwies und sogar darauf verzichtete, Reservisten einzuberufen. Am 8. April 1940 berichtete Außenminister Munch über eine bevorstehende Verminung der norwegischen Küste durch britische Schiffe und deutsche Flottenbewegungen Richtung Norwegen. Zwischen Rendsburg und Flensburg war zudem eine mehr als 50 km lange deutsche Militärkolonne Richtung Grenze unterwegs. Unter dem Vorwand, Dänemark vor einer englischen Besetzung zu schützen, erfolgen dann am 9. April 1940 die Landung deutscher Truppen. Da es kaum Wiederstand gab, fielen nur 16 dänische Soldaten und 24 wurden verwundet. Der deutsche Gesandte in Kopenhagen garantierte gegenüber dem dänischen Außenminister die territoriale Integrität und Souveränität des Landes. Deutschland wollte nur einige Militärbasen einrichten und auch weiterhin die dänische Neutralität akzeptieren.
Stauning bildete schon kurz nach dem deutschen Einmarsch eine Allparteienregierung, um den Krieg heil zu überstehen. Der neue dänische Außenminister Erik Scavenius glaubte, daß Deutschland den Krieg gewinnen würde und erklärte in einer Rede vom 8. Juli 1940, das in Europa eine neue Zeit unter deutscher Führung anbrechen würde. Trotz Sympathien für die dänischen Nationalsozialisten hielt sich Deutschland aus der dänischen Politik heraus, da man negative Auswirkungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit befürchtete. Weder gab es Eingriffe in das Rechtssystem, noch wurde die dänische Armee entwaffnet und man beschränkte sich auf die Nutzung der dänischen Schiffe für die Eisenerztransporte aus Norwegen.
Scavenius konnte durch seine Politik Dänemark zwar vor deutscher Einflußnahme schürzen und ein Naziregime im Lande verhindern, aber die große Mehrheit der Dänen lehnte eine Zusammenarbeit mit Deutschland ab. Man zog sich auf sich selbst zurück, gründete Vereine für vaterländische Gesänge und in späteren Jahren wagten es vereinzelte Zeiten, die deutsche Politik zu kritisieren. Es gab auch Zusammenstöße mit den eigenen Nationalsozialisten. Die Übergabe einiger Torpedoboote an die deutsche Marine und Forderungen nach Entlassung deutschfeindlicher Regierungsmitglieder verstärkten die weit verbreitete antideutsche Haltung.
Am 26. Juni 1941 erklärte die dänische Regierung, daß der deutsche Angriff auf die Sowjetunion "im allgemeinen europäischen Interesse liege". In Dänemark hatten man den Kampf Finnlands 1939/40 gegen die Sowjetunion mit großem Interesse verfolgt. Als Deutschland ein Verbot der dänischen Kommunisten und der Internierung forderte, sah man darin einen Bruch der dänischen Souveränität. Die Regierung und beide Kammern des Parlament stimmten am 20. August 1940 zu, aber die Kommunisten gingen in den Untergrund und wurden zum Sammelbecken aller Unzufriedenen. Am 11. November 1941 forderte der deutsche Außenminister, daß Dänemark dem Antikominternpakt beitreten sollte. Es gab heftige Debatten, aber man einigte sich darauf, Deutschland entgegen zu kommen, falls es Zugeständnisse bezüglich der dänischen Innenpolitik geben würde. Als die Beitrittserklärung von Scavenius am 25. November 1941 unterzeichnet wurde, gab es in Kopenhagen große Demonstrationen und erste Sabotageakte folgten. In Flugblättern warf man den Deutschen Völkermord vor. 1940 gab es nur 10 Sabotageakte, 1941 waren es 19 und 1942 21.
Als der dänische König Christian X. auf das Geburtstagstelegramm Hitlers mit einem "Spreche meinen besten Dank aus" antwortete, war Hitler so verärgert, daß der deutsche Botschafter abberufen, der deutsche Oberbefehlshaber ausgetauscht und der dänische Gesandte ausgewiesen wurde. Hitler forderte sogar den bedingungslosen Anschluß Dänemarks an Deutschland. Der neue "Reichsbevollmächtigte" Dr. Werner Best konnte Hitler allerdings davon abbringen und dieser gab sich mit der Ernennung von Erik Scavenius zum neuen Staatsminister zufrieden. Obwohl Scavenius wegen seiner deutschfreundlichen Politik in Dänemark unbeliebt war, zeigt aber seine Ministerliste, daß keine dänischen Nazis oder Sympathisanten in die Regierung berufen wurden. Am 10. November 1942 gab es eine Regierungserklärung, daß man Sabotageakte unnachsichtig ahnden würde. In Dänemark war man sich aber zu diesem Zeitpunkt schon darüber im Klaren, daß der Krieg für Deutschland verloren wäre.
Werner Best bemühte sich um eine gute Zusammenarbeit mit der dänischen Regierung, um die Versorgung Deutschlands mit Lebensmitteln sicherzustellen. Er machte sich allerdings keine Illusionen über die dänischen Sympathien für die Alliierten und meldete schon am 25. Januar 1943, daß über 90 Prozent den Dänen einen Sieg der Feinde wünschten. König Christian X. warnte am 15. Mai in einer Rundfunkansprache sein Volk vor einer Sabotagepolitik gegenüber Deutschland. Durch die amerikanische Landung auf Sizilien und die russische Sommeroffensive 1943 fühlten sich aber dennoch die dänischen Widerstandskämpfer gestärkt und am 24. August sprengte eine Sabotagegruppe, das Quartier der deutschen Truppen in Kopenhagen. Die dänische Regierung verurteilte diese Aktion, um deutsche Gegenmaßnahmen zu verhindern, aber die allgemeine Zustimmung der Dänen zu diesem Sabotageakt machte deutlich, daß das Volk keine weitere Zusammenarbeit mit Deutschland wollte. Auf Befehl Hitlers mußte Werner Best am 28. August ein Ultimatum übergeben, das den Ausnahmezustand, absolute Pressezensur und Todesurteile bei Sabotagen vorsah. Wegen der befürchteten Reaktionen des dänische Volkes lehnte die Regierung dieses Ultimatum ab. Am 29. August 1943 wurden alle strategisch wichtigen Stellungen durch die deutsche Wehrmacht besetzt und die dänische Armee wurde entwaffnet, eine Flucht dänische Kriegsschiffe nach Schweden beziehungsweise eine Selbstversenkung konnte aber nicht verhindert werden.
Deutschland war nicht darauf vorbereitet, die Verwaltung Dänemarks zu übernehmen. Die deutschen Militärbehörden forderten deshalb noch am Abend des 20. Augusts 1943 die dänische Regierung auf, im Amt zu bleiben. König und Regierung vereinbarten allerdings ein formales Ausscheiden der Regierung und verständigten sich darauf, daß die Deutschen die Verantwortung für das Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung übernehmen sollten. Am 23. September verkündigte der Direktor des Außenministeriums, Nils Svenningsen das Ende der Regierung und wies darauf hin, daß die Departementchefs weiterhin im Amt bleiben würden. Am 18. September hatte Hitler persönlich die Deportation der dänischen Juden befohlen. Best wollte versuchen, die Transporte mit Hilfe der Gestapo und dänischer Freiwilliger durchzuführen.
Das "Sonderkommando Eichmann" inhaftierte zunächst nur Volljuden, mit Nichtjuden verheiratete und minderjährige Kinder aus Mischehen blieben zunächst verschont. Es wurden nur 200 Juden aus Kopenhagen über Swenemünde deportiert und nach Theresienstadt verbracht. Aus Jütland kamen 472 Juden hinzu. 150 Kommunisten wurde in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig verschickt. Über 7.000 dänische Juden konnten von der Bevölkerung vor dem deutschen Zugriff versteckt beziehungsweise nach Schweden in Sicherheit gebracht werden. Am 3. Oktober verurteilten die dänischen Pastoren in einem Hirtenbrief, der in allen Kirchen verlesen wurde, die Deportation der jüdischen Dänen. Die deutschen Besatzungsbehörden hoben angesichts des Widerstandes den Belagerungszustand wieder auf und entließen dänische Soldaten, die interniert waren. Der dänische Widerstand hatte inzwischen aber einen "Freiheitsrat" eingerichtet und am 16. September schlossen sich die Widerstandsgruppen zusammen. Ab Januar 1944 wurden Freiwillige für eine Untergrundarmee rekrutiert, der sich auch viele Offiziere anschlossen. In Schweden bildeten aus Dänemark geflohene Militärs eine dänische Brigade.
Ab Juli 1944 suchte der "Freiheitsrat" auch die Zusammenarbeit mit den Parteien und Politikern und man ging von einzelnen Sabotageakten zur Vorbereitung eines allgemeinen Widerstandes über. Im Oktober 1944 wurde der Generalleutnant Ebbe Görtz (1886-1976) zum Oberbefehlshaber aller Militäreinheiten ernannt. Dennoch gab es eine Kluft zwischen regierungstreuen Offizieren und Widerstandskämpfern, die nicht zu überbrücken war. Besonders die Kommunisten prangerten die Treue des Heeres zur Regierung und ihrer Politik bis zum 29. August 1943 an, hohe Militärs mißtrauten hingegen den Kommunisten und fürchteten sich vor einem Einmarsch sowjetischer Truppen. Auch dänische Emigranten in Großbritannien wollten Dänemark nicht den Kommunisten überlassen und begannen den Aufbau einer Résistance. Im Mai 1944 einigten sich Großbritannien und der "Freiheitsrat", daß sich dänische Einheiten beim Ausbruch von Kämpfen auf dem Kontinent einem alliierten Oberkommando unterordnen würden. Am 14. Juni 1944 wurde diese Unterstellung vollzogen und am 22. Juni zerstörte ein Kommando die größte Waffenfabrik in Kopenhagen.
Da als Vergeltung dänische Widerstandskämpfer hingerichtet wurden, stärkte dies den Widerstandswillen der dänischen Bevölkerung. Um eine Eskalation der Gewalt zu verhindern, vereinbarten Werner Best und SS-Obergruppenführer Günter Pancke sich entgegen dem Befehl Hitlers darauf, daß weder gegen das Könighaus noch hohe Beamte, führende Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer vorgegangen werden solle. Man vertraute vielmehr auf die Unterstützung durch dänische Nazis und Spitzel. Die Verwüstung des Vergnügensparks Tivoli verärgerte breite Teile der dänischen Öffentlichkeit und auf den verhängten Ausnahmezustand antwortete die Kopenhagener Bevölkerung mit Streiks. Als Beschwichtigungsversuche gemäßigter dänischer Politiker nichts fruchteten und der "Freiheitsrat" zum offenen Widerstand gegen die Besatzer aufrief, versuchte Werner Best nochmals eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen und sozialdemokratischen Kräften.
Zugleich schien eine alliierte Landung auf Jütland immer wahrscheinlicher. Am 19. September besetzten deutsche Wehrmachts- und SS-Einheiten alle Polizeistationen und internierten dänische Polizisten. Hierdurch nahm der Haß auf die Besatzungsmacht weiter zu und dänische Politiker bemühten sich um alliierte Unterstützung. Am 1. Mai 1944 erklärten die USA und Großbritannien, daß Dänemark zur Anti-Hitler-Koalition gehören würde. Die UdSSR wies vergeblich auf Dänemarks Zugehörigkeit zum Antikominternpakt hin. Am 15. Dezember 1944 einigten sich führende dänische Politiker, daß Verfolgte nach dem Krieg eine angemessene Entschädigung erhalten sollten und in der zukünftigen Regierung keine Kollaborateure sein sollten.
Am 2. und 3. Mai verhandelte Admiral Dönitz in Flensburg mit den Alliierten in Flensburg und am 5. Mai kapitulierten die deutschen Truppen in Kopenhagen. Die Stadt blieb unzerstört, als am 6. Mai Soldaten der dänischen Brigade einmarschieren konnte. Dänemark überstand den 2. Weltkrieg somit nahezu schadlos und der neue Regierungschef, der Sozialdemokrat Vilhelm Buhl konnte auf fast intakte Institutionen zurückgreifen. Am 13. Mai formierte sich die dänische Polizei neu. In 78 Verfahren wurde gegen Kollaborateure die Todesstrafe verhängt, die in 46 Fällen auch vollstreckt wurde. Werner Best wurde ebenfalls zunächst zum Tode verurteilt, dann begnadigt und am 29. August 1951 ausgewiesen.
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Die Ausgaben der 40er Jahre
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Der "Wohlfahrtsstaat" Dänemark nach 1945
Schon 1934 verwendeten die Sozialdemokraten das Schlagwort "Dänemark für das Volk", mit dem sie ihre Reformen betitelten. Es gab einen Rechtsanspruch auf staatliche Hilfe, wenn man in soziale Not geriet, und ein Finanzausgleich zwischen starken und schwachen Kommunen sollte überall in Dänemark für gleiche Lebensbedingungen sorgen. Außerdem gab es eine Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Das Bündnis zwischen Sozialdemokraten und der Radikalen Venstre bestand auch nach Ende des 2. Weltkrieges fort. Die Regierungen wurden meistens von einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten geführt, mit den Linksliberalen als kleineren Koalitionspartner.
Nach dem Krieg zeigte es sich, daß die Folgen der fünfjährigen deutschen Besetzung weniger verheerend waren, als in anderen Ländern. Es gab kaum Zerstörungen und die Landwirtschaft war noch voll in Takt. Das politische System war allerdings durch die Widerstandsbewegung während des Krieges in Frage gestellt worden. Der dänische Widerstand trug auch maßgeblich dazu bei, daß Dänemark von den Alliierten als Verbündeter akzeptiert wurde. Schon im November 1943 hatte der "Freiheitsrat", das oberste politische Organ der dänischen Widerstandsbewegung, einen Forderungskatalog erstellt, mit dem die etablierten Parteien sich auseinandersetzen mußten. Gefordert wurden u. a. eine Verfolgung von Landesverrätern und Kollaborateuren, Wiedergutmachung für die Opfer der Besatzung und eine enge Anbindung an die Westmächte. Diese Forderungen bestimmten die innenpolitischen Debatten der ersten Nachkriegsjahre. Es gelang den etablierten Politikern, an der Macht zu bleiben, indem sie einige dieser Forderungen - wenn auch in abgeschwächter Form - aufgriffen.
Am Ende des 2. Weltkriegs mangelte es in Dänemark zunächst an Polizeikräften und Ordnungshütern, was dazu führte, daß die Kriminalität besonders in den größeren Städten stark anwuchs. Ein verknapptes Warenangebot traf besonders sozial schwächere Bevölkerungsgruppen, wobei viele Dänen die Reglementierung der Kaffeeimporte als sehr ärgerlich empfanden. Anders als in Deutschland und anderen Ländern mußte allerdings niemand in Dänemark Hunger leiden und es gab zunächst eine allgemeine Aufbruchstimmung. Die Freude über die Befreiung von der deutschen Besatzung legte sich allerdings sehr schnell, als es zu innenpolitischen Spannungen kam. Schon am 4. Juli 1945 gab es vor dem Reichstag in Kopenhagen eine Demonstration, um für die Einführung der 40-Stunden-Woche und drei Wochen bezahlten Jahresurlaub gekämpft wurde. Für Lohnerhöhungen angesichts der steigenden Preise wurde ebenfalls gestreikt. Die Sozialdemokraten unterstützten diese Forderungen, da sie sich Stimmengewinne bei den Wahlen am 30. Oktober 1945 erhofften. Sie machten sich auch Forderungen nach einer Sozialisierung von Versicherungen, Banken und Teilen der Schwerindustrie zu eigen, wie dies die Rede von Hans Hedtoft-Hansen, der der Nachfolger Staunings war, belegt.
Die Sozialdemokratie konnte 48 Mandate erzielen, mehr als jeder andere Partei. Dennoch reichte dies nicht, um mit den Kommunisten gegen Konservative, Radikale und Bürgerliche eine Regierungsmehrheit durchzusetzen. Als die gegnerischen Parteien sich nicht einigen konnten, bildeten die "Linksparteien" jenseits der Sozialdemokratie eine Minderheitsregierung und hofften auf Unterstützung von Abgeordneten aus den anderen Parteien. Da die Meinungsverschiedenheiten zwischen Konservativen und Liberalen zunahmen, gab es schon am 28. Oktober 1947 Neuwahlen, bei denen die Sozialdemokraten neun Mandate hinzugewannen. Im Jahre 1948 starb auch Christian X. und Frederik IX. wurde neuer dänischer König. Am 13. November 1947 bildete Hans Hedtoft eine sozialdemokratische Regierung, wobei er allerdings nicht mehr von Sozialisierungen sprach, wie dies noch 1945 der Fall war. Statt dessen proklamierte er eine Politik mit größtmöglicher parlamentarischer Unterstützung.
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