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Einführung
In der Zeit von der Ausrufung der 1. Republik am 4. Oktober 1910 bis zum Militärputsch vom 28. Mai 1926 wurden 216 Briefmarken verausgabt. In dieser Zeit nahmen die Serien mit Sondermarken zu bestimmten Ereignissen zu. Bei den Freimarken dominierte die Ceres-Serie von 1917 bzw. 1920.
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Die Gründung der Republik
Im frühen 20. Jahrhundert war Portugal ein liberaler Nationalstaat, da Staat und Nation weitgehend übereinstimmten. Das Land hatte eine starke agrarische Ausprägung, denn 1911 waren 58 Prozent bzw. 2,5. Mill. der 5,5 Mill. Einwohner in der Landwirtschaft tätig (1930: 55 Prozent), 25 Prozent in der Industrie und 17 Prozent im Dienstleistungssektor (1930: 30 Prozent). Die Urbanisierung war sehr niedrig und ein Zentrum städtisch-politischer Kultur gab es nur in Lissabon. Im Jahre 1930 lebten immer noch vier Fünftel der Bevölkerung in Dörfern oder kleinen Städten. Portugal war also ein Land mit frühem Parlamentarismus und später Industrialisierung.
Nach dem Sturz des Königs am 4. Oktober 1910 wurde am Morgen des 5. Oktober die Republik ausgerufen und dieser Tag ist seitdem auch Nationalfeiertag. Eigentlich handelte es sich um eine Lissaboner Revolte, da das Land telegraphisch von der Absetzung des Königs erfuhr. Die Armee verhielt sich abwartend. Der Umsturz war das Werk republikanischer Angehöriger der Streitkräfte. Portugal wurde eine der ersten Republiken in Europa, in dem weitestgehend noch die Monarchie die übliche Regierungsform war. An der Revolte hatten auch Mitglieder der Geheimloge "Carbonária Portuguesa" teilgenommen, wie z. B. der Marineoffizier António Machado Santos, der später als Republikgründer verehrt wurde. Die neue Regierung wurde durch Mitglieder aus der radikalen Mittelschichtselite ersetzt, die neue nationale Symbole (Flagge, Hymne) und im Jahre 1912 eine neue Währung ("escudo" anstelle des "real") einführte und durch Massenmobilisierungen und schulische Sozialmaßnahmen um Unterstützung der Bevölkerung warb. Zum Programm gehörte ein allgemeines Stimmrecht, Antiklerikalismus und Nationalismus, Bekämpfung der Abhängigkeit vom englischen Kapital und Verteidigung des Kolonialbesitzes.
Obwohl die Arbeiterschaft in Portugal nur gering war, hatte sich einen großen Anteil am Umsturz und hoffte nun auf das von den Republikanern versprochene Ende kapitalistischer Ausbeutung und eine neue Wirtschafts- und Rechtsordnung. Da es aber keine Verbesserung der Lohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen gab, kam es ab Dezember 1910 zu Streiks, wobei die Kluft zur Regierung sich durch die Unterstützung von Streikbrechern durch die Republikanische Nationalgarde vertiefte. Auch auf dem Lande ging es den Agrarproletariern und Kleinbauern nicht besser, so daß 1911/12 die Landarbeiterstreiks ihren Höhepunkt erreichten. Die republikanische Regierung war nicht fähig oder willig, eine Landreform und eine Neuregelung der Eigentumsverhältnisse durchzuführen.
Gespannt war auch das Verhältnis zur Kirche und ihren Organisationen. Die Bedeutung der Kirche läßt sich schon daran ablesen, daß die jesuitischen Laienorganisation mit weit über einer Million Mitgliedern die größte Vereinigung in Portugal war. Viele Bildungsinstitute, Krankenhäuser und Zeitungen standen unter kirchlicher Leitung. Der Adel und Teile der Mittelschicht schickten ihre Kinder lieber in Klosterschulen, als in die zumeist schlechteren staatlichen Schulen. Während des Putsches ermordeten Antiklerikale zahlreiche Priester, zerstörten und plünderten Klöster. Die neue Regierung wollte den Einfluß der Kirche in der Gesellschaft zurückdrängen und verteilte in den Städten Propagandamaterial, in dem auf die enge Verbundenheit von Kirche und Monarchie hingewiesen wurde, wobei der Kirche eine Mitschuld am schlechten Zustand des Landes zugewiesen wurde. Schon am 8. Oktober 1910 erließ der neue Finanzminister Afonso Costa (1871-1938) mehrere Dekrete, die die Orden auflösten, die Jesuiten aus dem Lande wies und den Kirchenbesitz verstaatlichten. Alle religiösen Feiertage wurden abgeschafft und Weihnachten in den "Tag der Familie" umbenannt, das theologische Seminar der Universität Coimbra wurde geschlossen. Außerdem hatte nun der Staat das alleinige Recht in der Schulausbildung, es gab ein Scheidungsrecht und Frauen und uneheliche Kinder bekamen mehr Rechte. Die Bischöfe protestierten im Dezember in einem Hirtenbrief gegen die Erlasse der Regierung, die im April 1911 ein Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche erließ.
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Die frühen Ausgaben 1910-1919
- Die ersten postalischen Maßnahmen der Ersten Republik -
Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung unter Dr. Téofilo Braga (dem ersten Präsidenten der Republik Portugals) war der Erlaß einer Anordnung am 07.10.1910, daß die alten Briefmarken der Monarchie mit dem diagonalen Aufdruck "República" zu versehen sind, um auf diese Weise die neue Staatsform deutlich sichtbar zu machen. Es war vorgesehen, die alten Marken schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen und nur noch die Marken mit Aufdruck zur Frankatur zuzulassen. Ab dem 01.11.1910 wurden diese überdruckten Marken ausgegeben, beginnend zunächst in den großen Städten Lissabon und Porto. Der Austausch der nicht überdruckten Ausgabe gegen die Aufdruck-Werte zog sich allerdings bis in den März 1911 hin, wobei sich abzeichnete, dass die Staatliche Münze nicht in der Lage war, den tatsächlichen Bedarf zu befriedigen, so daß ab dem 02.03.1911 neben den Aufdruck-Werten wieder die Marken ohne Aufdruck ausgegeben wurden.
Ab dem 01.10.1911 wurden daneben die noch vorhandenen Restbestände der Sondermarken von 1898 sowohl von Kontinental-Portugal als auch die Madeira-Ausgaben sowie die zum selben Anla# herausgegebenen Portomarken von 1898 mit dem Aufdruck República versehen und mit z. T. geänderten Wertstufen in Umlauf gebracht.
- Übersicht über die Ausgaben -
Am 1. November 1910 erschienen die Marken "König Manuel II" (Michel-Nr. 154-167) vom Januar dieses Jahres mit schrägem Aufdruck "REPUBLICA" und am 1. Oktober 1911 folgten die Michel-Nr. 138 bis 145 mit gleichem, aber diesmal waagerechtem Aufdruck sowie die Portomarken Michel-Nr. 1-6, wobei das Wort "Multa" durchgestrichen und ein waagerechter Aufdruck angebracht wurde. Beide Serien erhielten außerdem neue Nominalen. Auch die "Vasco da Gama"-Marken von Madeira wurden mit entsprechenden Aufdrucken versehen. Ab 1912 erschienen dann die ersten Werte der Freimarkenserie "Ceres", wobei es nicht nur Ergänzungen in den Folgejahren gab, sondern auch zwischen enger und weiter Zähnung zu unterscheiden ist.
Eine neue Staatsform erfordert neue Markenbilder. Unter dieser Prämisse wurde am 04.02.1911 ein Wettbewerb ins Leben gerufen an dessen Ende die längste Dauerserie Portugals und eine der umfangreichsten Serien Europas stand. Die Marken der Schnitterin-Zeichnung, kurz Ceres genannt.
Diese Ausgabe, die sich in Motiv und Markenform deutlich von Ihren Vorgängern unterscheidet besticht neben der Vielfalt an Wertstufen insbesondere durch eine Vielfalt an Zähnungen, Papiersorten und Plattenfehlern, die Spezialsammlern ein weites Feld zur Betätigung gibt. Darüber hinaus ist es die erste Markenausgabe, die in ihrer Wertangabe der bereits 1910 durchgeführten Währungsreform Rechnung trägt. So lautet die Wertangabe statt Réis nunmehr Centavos bzw. Escudos, wobei 1 Centavo dem Wert von 10 Réis entsprach. Im Februar 1912 wurden die ersten Werte (1 Centavo und 5 Centavos) ausgegeben, die letzte Ausgabe von 1930 war bis zum 30.09.1945 frankaturgültig.
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Die ersten Jahre der Republik
Durch die Verfassung des Jahres 1911, die von einer am 28. Mai 1911 gewählten 226 Leute umfassenden Verfassungsgebenden Versammlung ausgearbeitet wurde, sah ein parlamentarisches Mehrparteiensystem vor. In der Versammlung waren besonders viele Ärzte, Offiziere, Anwälte und Beamte vertreten. Zu den wichtigsten Fragen gehörte die Einführung eines parlamentarischen oder präsidialen System. Da man sich noch gut an die Diktatur von Joao Franco Castelo Branco im Jahre 1907/08 erinnerte, wollte man lieber nur eine schwache Exekutive und das Staatsoberhaupt erhielt wenig Macht. Wie in der Verfassung von 1822 gab es eine starke Legislative. An der Spitze des Staates stand ein vom Parlament gewählter Präsident, der neben Repräsentationspflichten im wesentlichen Minister zu ernennen bzw. zu entlassen hatte. Die Rechte und Freiheiten der Bürger wurden garantiert und eine soziale Gleichheit sollte durch die Abschaffung von allen Geburtsprivilegien geschaffen werden. Portugal wurde eine laizistische Republik, in der alle Religionen gleichberechtigt waren.
Kurz nach Verabschiedung der Verfassung im August 1911 kam es bei der Wahl des ersten Präsidenten zur Spaltung der Republikanischen Partei (PRP). Die Radikal-Republikaner unter Führung von Afonso Costa erhoben Bernardino Machado zum Kandidaten, während die Gemäßigt-Konservativen lieber Manuel de Arriaga (1840-1917) wollten, der auch erster Präsident der noch jungen Republik wurde. Unter Führung von Brito Camacho und António José de Almeida schlossen sich die Konservativen und Teile der Radikal-Republikaner zur "Uniao Nacional Republicana" zusammen, die sich aber schon bald in konservative Unionisten und liberale Evolutionisten spalteten. Hierdurch wurde die Demokratische Partei, die aus der Mehrheit der ehemaligen PRP-Mitglieder bestand und auch zur Heimat von Afonso Costa wurde, gestärkt.
Die Demokratische Partei war die einzigste und erste Partei, die in der neuen Republik über eine stabile Wählerschaft und eine nationale Organisation verfügte. 1911 bekam sie 97,9 Prozent der Sitze im Parlament und 1913 immerhin noch ca. 52.6 Prozent und 1915 wieder 65 Prozent. Obwohl also scheinbar eine einzige Partei den Staat dominierte, waren die innenpolitischen Verhältnisse in Portugal sehr instabil, da es in den 16 Jahren der 1. Republik zwischen 1910 und 1926 insgesamt 44 Regierungen, sieben Parlamente und acht Staatspräsidenten, 20 Aufstände und Staatsstreiche gab. Auch kam es zu über 150 Streiks und mehr als 300 Bombenexplosionen. Wahlberechtigt waren maximal 14 Prozent der Bevölkerung, in Durchschnitt sogar nur ca. 9,6 Prozent, wobei die Wahlbeteiligung bei ca. 50 Prozent lag.
Zwischen 1912 und 1917 gab es fast nur Einparteikabinette der Demokratischen Partei. Verantwortlich für die Instabilität des Landes waren der große Einfluß ökonomischer Interessengruppen und außerparlamentarischer Organisationen sowie die zunehmende Zersplitterung des Parteiensystems. Nach 1912 entstanden die Unions- und die Evolutionspartei. Als Reaktion auf die Säkularisierung gründete sich auch eine koporativ-autoritäre "Katholische Zentrumspartei".
Im 1. Weltkrieg blieb Portugal zunächst neutral. Aber der Krieg trug ebenfalls zur Destabilisierung der innenpolitischen Verhältnisse bei. Um die Kolonien zu schützen, hielten die Republikaner eine begrenzte Intervention in Afrika für notwendig. Durch diese Planungen kam es zur Spaltung der Streitkräfte. Die Demokratische Partei geriet durch ihre Entscheidung in Widerspruch zu den anderen politischen Parteien, da weder Evolutionisten noch Unionisten die Intervention in Afrika mittrugen. Eigentlich waren Ausbildungsstand und Ausrüstung der portugiesischen Armee wenig für einen Kriegseinsatz tauglich. 1916/17 befanden sich zwei Drittel der Armee im Ausland: 55.000 Soldaten in Flandern und 45.000 in den Kolonien. Bis Kriegsende waren 35.000 Tote oder Verwundete zu beklagen. Um der Antikriegsunruhen Herr zu werden, rief die Regierung im Juli 1917 den Belagerungszustand aus und unterdrückte mit brutaler Gewalt einen Generalstreik.
Im Dezember 1917 kam es durch einen Staatsstreich von Sidónio Pais (1858-1938) zu einer vorrübergehenden Diktatur, die bereits Merkmale der faschistischen Nachkriegsdiktaturen in Europa aufwies. Sidónio Pais versuchte, ein plebiszitäres Präsidialregime einzurichten und ein allgemeines Stimmrecht einzuführen. Er gründete eine eigene Nationalrepublikanische Partei, unterdrückte die anderen politischen Gruppen und die Gewerkschaften und hob die radikalsten antiklerikalen Gesetze auf, was von der Kirche wohlwollend gesehen wurde. Auch das Militär unterstützte ihn bis zu seiner Ermordung im Jahre 1918. Danach wurde wieder die konstitutionelle Regierungsform eingeführt und die Demokratische Partei gewann die Wahlen von 1919.
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Portugal im 1. Weltkrieg
In der Nachkriegszeit gab es des öfteren Koalitionsregierung, während zwischen 1912 und 1917 die Demokratische Partei fast ununterbrochen allein regiert hatte. In den 20er Jahren nahm die politisch motivierte Gewalt enorm zu. Besonders monarchistische Verschwörer (die sog. "Skorpione"), die von Spanien Unterstützung erhielten, bekämpften die Republik und das Parteiensystem zersplitterte - besonders wegen der verschiedenen Abspaltungen auf dem linken Flügel der Demokratischen Partei - immer mehr. Zum Schutz der republikanischen Regierung wurde deshalb eine Sondereinheit der Polizei, die Republikanische Nationalgarde, gegründet.
Nach dem Tode des Diktators Sidónio Pais im Jahre 1918 und der Wiedererrichtung der Republik gingen die Versuche zur Gründung faschistischer Bewegungen im "Integralismo Lusitano" (IL) auf, der 1914 von Maurras' "Action Francaise" ins Leben gerufen worden war. Wichtigster Vertreter der Bewegung war António Sardinha (1888-1925), der während des 1. Weltkrieges für eine Restauration der korporativen, antiliberalen und traditionellen Monarchie gekämpft hatte. Im Jahre 1923 wurde der "Nacionalismo Lusitano" (NL) gegründet, der nur bis 1925 bestand und faschistische Milizen, paramilitärische Organisationsstrukturen und nationalistische Parolen pflegte. Wichtiger war der "Nationale Kreuzzug", der sich als nationalistische Liga sah und in den letzten Jahren der 1. Republik eine pro-autoritäre Propaganda verkündete und schließlich am Militärputsch beim Sturz der Republik beteiligt war.
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Die Ausgaben der 20er Jahre
- Die Gedenk-Ausgaben der 20er-Jahre -
- Übersicht der Ausgaben -
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Die Nachkriegszeit
Nach den 1. Weltkrieg veränderte sich das Parteiensystem. 1919 schlossen sich die Konservativen unter Führung der neuen Liberalen Partei zusammen, so daß die Demokratische Partei, die in den Städten 1921 herbe Verluste erlitt, zum ersten Mal geschlagen werden konnte. In den Jahren 1919 bis 1922 gründete eine Abspaltung der Gewerkschaft die Kommunistische Partei (PCP) und es kam zu Streiks, die den staatlichen Dienstleistungssektor und den Handel beeinträchtigten. Auf der anderen Seite verstärkten die Unternehmerverbände ihre politischen Aktivitäten, die kleineren Parteien am rechten Rand wurden radikaler und somit wurde das Militär zu einem stabilisierenden Faktor.
Neben den politischen gab es auch wirtschaftliche Probleme wegen einer anhaltenden Kapitalflucht. Portugal war weiterhin stark agrarisch strukturiert, aber die Hauptexportgüter Wein, Kork und Fürchte konnten die Kosten der Einfuhren nur zur Hälfte decken. Zur öffentlichen Verschuldung, die noch aus der Zeit der Monarchie stammte, kamen die Kriegskosten. Neben dem Niedergang der Demokratie vollzog sich auch ein Sympathieverlust der Demokratischen Partei. Die Rechte war zu stark zersplittert, um eine echte politische Alternative zu sein. Am 18. April 1925 unternahmen Offiziere einen Putschversuch, der aber am Widerstand einiger Einheiten und der Republikanischen Nationalgarde scheiterte. Der nächste Militärputsch vom 28. Mai 1926 verlief allerdings erfolgreich und führte zum Sturz der Republik.
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