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Vom Nationalsozialismus bis zum Ende des 2. Weltkriegs
- Von der Französischen Besatzungszeit bis zur Prueßischen Zeit -
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.09.2013
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Kamp-Lintfort wird Großgemeinde Kamp-Lintfort am Vorabend des 2. Weltkriegs Die Postgeschichte in den Jahren 1933-1945 Die politische Verfolgung in den Jahren 1933-1945 Die Ansichtskarten aus den Jahren 1933-1939 Kamp-Lintfort im 2. Weltkrieg Postgeschichtliches aus dem 2. Weltkrieg Das Schicksal der jüdischen Einwohnerschaft Die Ansichtskarten aus der Zeit der frühen 40er Jahre nach unten

Kamp-Lintfort wird Großgemeinde

Nach der Errichtung des Nationalsozialismus begannen für Kamp-Lintfort einige kommunale Veränderungen. Zunächst wurden Beamte, die sich zur SPD oder KPD bekannten oder sonstwie der NSDAP mißfielen, entlassen. Ein großes Interesse hatte man an der Beseitigung der Arbeitslosigkeit: die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren wurden in der Landwirtschaft untergebracht, die Erwerblosen zwischen 18 und 25 Jahren mußten im Freiwilligen Arbeitsdienst tätig werden. In der Leucht am Strohweg wurde ein Arbeitsdienstlager eingerichtet, das 1935 seine Tätigkeit aufnahm. Mit 20.950 RM aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm wurden zudem Schulen und andere öffentliche Gebäude restauriert.

Die Karte zeigt die Entwicklung der Gemeinde Kamp-Lintfort Ende der 30er Jahre

Die gravierendste Maßnahme in verwaltungsgeschichtlicher Hinsicht war aber die Errichtung der Großgemeinde "Kamp-Lintfort", die einen praktischen Schlußstrich unter eine nunmehr bereits über zwei Jahrzehnte währende und teilweise recht eigensinnig geführte Diskussion zog. 1863 schon war es zu einer erneuten gemeinsamen Verwaltung durch den Bürgermeisterverband Camp, Hoerstgen und Vierquartieren gekommen. 1907 dann erörtere man im Zusammenhang mit einem sich ankündigenden Wechsel in der Person des Bürgermeisters und in Ansehung des einsetzenden Industrialisierungsprozesses die Ausgliederung von Vierquartieren - also der beiden künftigen Industriegemeinden Camperbruch und Lintfort sowie der ländlich geprägten Gemeinden Rossenray und Saalhoff - aus dem Verwaltungsbezirk Camp, zu der es aber nicht kam.

Im Februar 1913 wiederum war von einer Verschmelzung der Gemeinde Camp und der Gemeinden der Bürgermeisterei Vierquartieren die Rede gewesen. Diese Diskussion ging auf eine Initiative des Landrates vom 7. Dezember 1912 zurück, die aber von den Vertretungskörperschaften abgelehnt worden war. Die Gemeinde Hoerstgen spielte bei diesem Plan einer kommunalen Neuordnung offensichtlich keine Rolle. Auch während des 1. Weltkrieges wollte die Diskussion über Art und Umfang eines kommunalen Zusammenschlusses nicht verstummen. So verhandelte beispielsweise der Bürgermeister Liermann im Mai 1918 in einer Denkschrift vor allem die fiskalischen und verwaltungstechnischen Vorteile einer Verschmelzung der Gemeinden Camp, Camperbruch, Lintfort, Rossenray und Saalhoff unter dem Ortsnamen "Klostercamp".

1920 gab es eine weitere Anfrage des Landratsamtes, die erstmals auch Hoerstgen mit einbezog, an die Gemeinden in Kamp-Lintfort, aber die Errichtung einer Großgemeinde wurde damals mit 12 gegen fünf Stimmen abgelehnt. Bemerkenswert dabei ist, daß diese im Lintforter Gemeinderat einstimmig und damit über die Parteigrenzen hinweg befürwortet wurde, während man sich im benachbarten Camperbruch mit deutlicher Mehrheit gegen die Neugliederung aussprach und die übrigen Gemeinderäte diese einstimmig verwarfen.

In den Folgejahren wurden weitere Vorschläge entwickelt. Im "Duisburger Generalanzeiger" vom 28. März 1928 ist zu lesen, daß auch eine Verschmelzung von Camperbruch und Lintfort zu einem "Lintfort" erörtert wurde: "Der Laie (...) kennt schon lange keine Grenzen mehr zwischen den beiden Gemeinden. Für ihn gibt es nur ein ‚Lintfort'. (...) Während sonst oft zwei Gemeinwesen sich nicht riechen können, spielen sich hier Lintfort und Camperbruch geradezu in die Arme. Der eine erleichtert des anderen Aufgagen". 1929 stand der Vorschlag zur Diskussion, eine Industriegemeinde Lintfort - bestehend aus Camperbruch, Lintfort und Rossenray - und eine Gemeinde Camp - bestehend aus Camp, Hoerstgen und Saalhoff - bei gleichzeitiger Schaffung eines Amtsbezirkes Camp-Lintfort zu bilden. In Vierquartieren jedoch favorisierte man die Zusammenlegung aller Gemeinden des Verwaltungsbezirkes zu einer Gemeinde.

Da es schon lange eine gemeinsame Verwaltung gab, würde ein Zusammenschluß nur dann Sinn machen, wenn es nur eine Gemeinde geben würde. Die Sitzung vom 14. Dezember 1933 brachte dann die Entscheidung, die auch von den Ortsgruppen der NSDAP aus Lintfort, Kamp und Hoerstgen gebilligt wurde: es wurde der einstimmige Beschluß gefaßt, das die Gemeinden Lintfort, Camperbruch, Rossenray, Saalhoff bzw. Die Ämter Vierquartieren, Camp und Hoerstgen zu einer neuen Gemeinde "Camp-Lintfort" vereinigt werden sollte. Bürgermeister Hubert Lesaar, der die Amtsgeschäfte schon seit 1920 führte und bis 1945 im Amt war, äußerte die Hoffnung, daß der Beschluß "zum Segen der Gemeinden sich auswirken" möge. Für den Rentmeister Dietrich Bornheim war der Zusammenschluß eine Erleichterung, da er fortan nicht mehr sieben Kassen - sechs für die vormaligen Gemeinden und eine für den Bürgermeisterverbund - zu führen hatte, sondern nur noch eine.

Am 1. April 1934 wurden die Ämter Camp, Hoerstgen und Vierquartieren aufgelöst und die zugehörenden Landgemeinden Camp, Hoerstgen, Camperbruch, Lintfort, Rossenray und Saalhoff zum neuen Amt und zur Landgemeinde "Camp-Lintfort" durch Ministerentscheidung vom 24. März 1934 zusammengeschlossen, wodurch das heutige Stadtgebiet endlich eine territoriale Einheit bildete. Der Zeit gemäß wurde der Zusammenschluß zur Großgemeinde natürlich von der NSDAP als Verdienst des Nationalsozialismus gefeiert. Kurz danach wurde die Schreibweise in "Kamp-Lintfort" geändert.

Zur Erinnerung an die sechs Gemeinden verausgabte der Briefmarken- und Münzsammlerverein Kamp-Lintfort von 1964 e.V. zwischen Dezember 2005 und März 2006 eine Serie "Alte Ortsgemeinden von Kamp-Lintfort" als Personalisierte Briefmarken aus Österreich:

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Ortsgemeinde Kamp
Ortsgemeinde Kamperbruch
Ortsgemeinde Hoerstgen
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Ortsgemeinde Lintfort
Ortsgemeinde Rossenray
Ortsgemeinde Saalhoff
- Die Serie "Kloster Kamp im Spiegel der Zeiten" -
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Kamp-Lintfort am Vorabend des 2. Weltkriegs

Vor 1930 hatte die NSDAP in den Industriegemeinden Camperbruch und Lintfort - letztere wurde im Volksmund auch gerne als "Klein-Moskau" bezeichnet - große Probleme, überhaupt Fuß zu fassen und sich eine organisatorische Basis zu beschlossen. Erst im Oktober 1930, als der NSDAP im Deutschen Reich ein kometenhafter Durchbruch zur Massenpartei gelang, konnte sich in Lintfort eine lebensfähige NSDAP-Ortsgruppe bilden.

Die Ursache lag zu einem großen Teil darin, daß die Friedrich Heinrich AG 1930 mit 6.022 Beschäftigten zwar einen vorläufigen Belegschaftshöchststand verzeichnen konnte, diesen jedoch bis 1933 zügig auf 4.150 Mann wieder abbaute. Die Aufnahmefähigkeit des industriellen Arbeitsmarktes war einfach erschöpft. 1932 standen immerhin in Kamp-Lintfort insgesamt rund 5.500 Personen - das waren nahezu 25 Prozent der damaligen Einwohnerschaft - in der Fürsorge des Arbeits- oder Wohlfahrtsamtes, wobei die genannte Zahl auch die Familienangehörigen berücksichtigte. Auch dieser Umstand wird der hiesigen NSDAP einen gewissen Zulauf verschafft haben.

Bei der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 entschieden sich in Kamp-Lintfort jedoch nur 23,1 Prozent der 11.281 Wähler für die NSDAP, während es im Deutschen Reich immerhin 37,4 Prozent waren. Es spricht auch für sich, daß im April 1932 bei den Betriebsratswahlen auf der Zeche Friedrich-Heinrich nur 12,1 Prozent der Stimmen auf die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) entfielen. Dies läßt Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der örtlichen NSDAP-Anhängerschaft zu. Bei den Kommunalwahlen im März 1933 konnte die NSDAP ebenfalls nicht die absolute Mehrheit in den jeweiligen Vertretungskörperschaften erlangen.

Nach der sog. "Machtergreifung" 1933 wurden aber auch im heutigen Stadtgebiet Gewerkschaften etc. "gleichgeschaltet" und es begann eine zwölf Jahre währende Zeit des geistigen Niedergangs und der Unterdrückung. Alsbald bestimmten Propagandaumzüge, Eintopfsonntage, Sammlungen des Winterhilfswerkes, Reichsarbeitsdienst, Landjahr, Luftschuftumzüge sowie eine nahezu lückelose organisatorische Erfassung der Jugend den Alltag der Bevölkerung.

Wie in vielen deutschen Städten wurde Adolf Hitler auch in Kamp-Lintfort Ehrenbürger und erhielt seine eigene Straße, die "Adolf-Hitler-Straße", die heute wieder Moerser Straße heißt. Schon seit dem 15. Dezember 1933 hatten die Gemeinderäte nur noch beratende Funktion und wurden von der NSDAP vorgeschlagen. Die Gemeinderäte in der neuen Großgemeinde Kamp-Lintfort wurden am 15. Juni 1934 vereidigt. Mit der Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurden Bürgermeister etc. nicht mehr gewählt, sondern nach dem sog. "Führerprinzip" von der NSDAP ernannt.

Zu Propagandazwecken ließ sich auch die Lintforter Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) so manches einfallen, wie das Foto um 1936 zeigt

Auch in Kamp-Lintfort gab es nationalsozialistische Propaganda: am 21. März 1933, dem "Tag von Potsdam", bei dem in einem Festakt Hindenburg und Hitler die Vereinigung aller nationalen Kräfte demonstrierten, wurden auch in Kamp-Lintfort die Häuser mit Hakenkreuzfahnen geschmückt und die Schulen veranstalteten abends einen Fackelzug zum Dachsberg.

Die Lintforter NSDAP-Ortsgruppe sowie die Deutsche Arbeitsfront (DAF) waren im früheren Sparkassengebäude - dem "Braunen Haus" - untergebracht, während die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) im vormaligen Einwohnermeldeamt auf der Kaiserstraße Nr. 6 residierte. Die Ortsgruppe der NSDAP in Kamp hatte ihre Räumlichkeiten im Alten Rathaus an der Rheinberger Straße, die Ortsgruppe Hoerstgen hingegen in einem Privathaus mit der Adresse Hoerstgen Nr. 47. Die örtlichen NSDAP-, SA-, SS- und NSBO-Größen wie Friedrich Achterberg, Leo Atzor, Bondzio, Peter Caumanns, Heinrich Kroninger, Alfred Neuhaus und Wilhelm Schönstein sind vielen älteren Bürgern sicherlich noch in schlechter Erinnerung?

Das um 1944 auf dem Sportplatz an der Konradstraße entstandene Bild zeigt u.a. den NSDAP-Ortsgruppenführer Friedrich Achterberg

Der 1. Mai wurde zum Tag der Arbeit erklärt und die Feiern fanden alljährlich in Lintfort auf dem Montplanet-Platz statt. Auch die Schulen und Straßen bekamen neue Namen: die Barbaraschule am Montplanet-Platz und der Platz wurden zur Adolf-Hitler-Schule bzw. Adolf-Hitler-Platz, Ebertstraße, -platz und -schule wurden Horst-Wessel-Straße, -Platz und -Schule. Seit 1936 hieß die Josefschule Bismarckschule, die Gustav-Adolf-Schule (Wilhelmschule) wurde Hans-Schemm-Schule, die Martin-Luther-Schule (Pestalozzischule am Tor Ost) Dietrich-Eckardt-Schule, die Marienschule Schlageterschule und die Mittel- und Rektoratsschule Ernst-Moritz-Arndt-Schule. Auffällig ist, daß die im ländlichen Bereich der Großgemeinde Kamp-Lintfort gelegenen Schulen keine Umbenennungen im nationalsozialistischen Sinne erfuhren.

In siedlungsgeschichtlicher Hinsicht fällt auf, daß in den Jahren ab 1933 vielfach gemeindeeigene Grundstücke an Bauwillige veräußert wurden, so u. a. an der Kamper Straße (1938), der Klosterstraße (1938), der Königstraße (1936 und 1938), der Rheinberger Straße (1935 - 1937), der Sternstraße (1936 - 1937) und der Straßburger Straße (1936 - 1937).

Besondere Aufmerksamkeit widmete die NSDAP der Einbindung und Indoktrination der Jugendlichen. 1938 konnte das Richtfest für die mit gemeindlicher Unterstützung erbaute Jugendherberge auf dem Dachsberg gefeiert werden. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich ein 1937 errichtetes Lager des Deutschen Jungvolkes. 1939 war das HJ-Heim an der Franzstraße nahe der Einmündung der Boegenstraße fertiggestellt. Räumlichkeiten für die HJ und den Bund Deutscher Mädel (BDM) befanden sich ferner u. a. in der Josef-Schule und in der Wilhelm-Schule.

Die Durchsetzung des nationalsozialistischen Kurses war wie in anderen Städten und Gemeinden auch in Kamp-Lintfort nur möglich durch die rigorose Verfolgung bzw. gänzliche Ausschaltung des politischen Gegners, der insbesondere in der in zwei große Lager gespaltenen Arbeiterbewegung beheimatet war.

Zu erwähnen sei noch, daß am 5. Februar 1934 die Sparkasse in ihr neues Gebäude, das dem alten Grundstück gegenüber lag, umzog. Im gleichen Jahr wurde die alte oberirdische Fernsprechleitung an der Hauptverkehrsstraße zwischen Moers und Lintfort unter die Erde verlegt. Die Einweihung der Glocken der St. Josefkirche fand am 27. August 1933 statt. Im Jahre 1939 hatte Kamp-Lintfort 23.338 Einwohner.

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Die Postgeschichte in den Jahren 1933-1945

Für ein Jahr lang galten noch die Postgebühren aus dem Jahre 1932. Kurz vor Beginn die NS-Zeit änderten sich die Gebühren, wobei es geringfügige Änderungen bei leichten Drucksachen und bei den Briefen gab: es kam zu leichten Erhöhungen, aber auch zu Senkungen. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurden die Gebühren nicht mehr geändert.

Daß das Sammeln von Briefmarken dennoch teurer wurde, lag daran, daß es immer mehr Sondermarken mit Zuschlag gab, deren Erlös wohltätigen Zwecken zugeführt wurde.

Inland
Drucksachen
 
Ab 15.1.1932
Ab 15.1.1933
Bis 20 g
4
3
Bis 25 g
4
4
25 bis 50 g
4
4
50 bis 100 g
8
8
100 bis 250 g
15
15
250 bis 500 g
30
30
Postkarten
Ortsverkehr
5
5
Fernverkehr
6
6
Briefe (Ortsverkehr)
Bis 20 g
8
8
20 bis 100 g
15
16
100 bis 250 g
15
16
250 bis 500 g
20
20
Briefe (Fernverkehr)
Bis 20 g
12
12
20 bis 100 g
25
24
100 bis 250 g
25
24
250 bis 500 g
40
40
Einschreiben
Gebühr
30
30
Rückschein
30
30
Eilzustellung
Im Orts-Bestellbezirk
40
40
Im Land-Bestellbezirk
80
80
Ausland
Drucksachen
 
Ab 15.1.1932
Ab 15.1.1933
Bis 50 g + für je 50 g
5
5
Postkarten
Postkarten
15
15
Briefe
Bis 20 g
25
25
Je weitere 20 g
15
15
Im Grenzverkehr
10
10
Einschreiben
Gebühr
30
30

Das folgende Beispiel zeigt eine Einschreibsendung, die portogerecht mit 42 Pfg. (12 Pfg. für einen Brief im Fernverkehr und 30 Pfg. Einschreibgebühr) frankiert ist:

Einschreiben vom 27.4.1933, entwertet mit dem Kreisstegstempel "Lintfort (Kr. Moers)"

Auch nach Gründung der Großgemeinde Kamp-Lintfort im Jahre 1934 wurden postalisch die alten Stempel bis Ende 1949 weiter verwendet, wie der folgende Beleg zeigt:

Brief vom 13.5.1935 mit Zweikreisstegstempel "Lintfort (Kr. Moers)", Unterscheidungsbuchstabe "d"; der Stempel hat eine 24-Stundenanzeige; der Vermerk "Zurück" ist ebenfalls ein postalischer Stempel und wurde verwendet, weil der Adressat die Annahme verweigert hatte

Mit der folgenden Rücksendung über eine vollzogene Postzustellung an das Amtsgericht Moers bestätigt der Postbedienstete Hr. Decken, daß er dem Empfänger die Sendung am 26. Mai in seinem Geschäftslokal übergeben hat:

Postzustellurkunde vom 26.5.1937

Mit der Einführung der Landkraftpost im Jahre 1928 wurde auch die Zuständigkeit der Poststellen erweitert: neben dem Verkauf von Wertzeichen, der Annahme von Postsendungen aller Art, Vermittlung von Ferngesprächen, Einziehen von Zeitungsgeldern und Rundfunkgebühren wurde nun auch die Auszahlung von Renten vorgenommen, was besonders bei der Landbevölkerung sehr begrüßt wurde. Amtliche Dokumente wurden zugestellt und die vollzogene Postzustellung wurde mit einem Stempel (hier aus Hoerstgen) auf einer Postzustellungsurkunde dokumentiert und als "vollzogen zurück" an den Absender zurückgeschickt:

Postzustellurkunde aus dem Jahre 1937 an das Amtsgericht Moers zurück

Die folgende Skizze zeigt den Wegeplan der Landpostverkraftung Kurs II aus dem Jahre 1933. Interessant ist, daß die Strecke bei Kamp und Rayen als besonders gefährdetes Gelände beschrieben wurde:

Wegeplan der Kraftpost II aus dem Jahre 1933

Selbstverständlich gab es auch einen Fahrplan der Landkraftpost:

Fahrplan der Landkraftpost ab dem 1. August 1933

Am 26. September 1936 wurde das Fernamt bei der Vermittlungsstelle des Postamtes Lintfort aufgehoben und die Vermittlung der Ferngespräche teilweise dem Postamt Moers bzw. dem Fernsprechamt Duisburg übertragen. Gleichzeitig wurde dem Fernsprechamt Duisburg die Ferngesprächsabrechnung übertragen.

Am 4. April 1937 verstarb der Postagent Heinrich Pousen, der die Postagentur in Hoerstgen 45 Jahre treu verwaltet hatte. Die Postagentur wurde am 1. Mai 1938 im Zuge der Landverkraftung dem Postamt Moers als Poststelle zugeteilt.

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Die politische Verfolgung in den Jahren 1933 - 1945

Wie im gesamten Deutschen Reich blieb auch in Kamp-Lintfort die Opposition in Kamp-Lintfort nicht von Verfolgung, Einschüchterung und Ausschaltung gedroht. Am 1. März 1933 - kurz nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar - wurden in Lintfort Funktionäre der KPD verhaftet, darunter der damalige KPD-Ortsgruppenvorsitzende Anton Andrzejczak. Am 31. März wurde der der SPD angehörende Lintforter Gemeindevorsteher Rudolf Korschel "bis auf weiteres" mit der Begründung, daß die Zusammenarbeit zwischen Korschel und den Gemeindevertretern der anderen Parteien gefährdet sei, vom Bürgermeister Lesaar beurlaubt. Ab dem 3. April 1933 wurden auch organisierte SPD-Anhänger verhaftet, wie z. B. besagter Rudolf Korschel und der Betriebsrat Robert Schmelzing.

Ab dem 1. Mai 1933 setzte eine Eintrittswelle in die NSDAP ein, die auch den Bürgermeister einschloß. Ab der ersten Maihälfte folgten weitere Verhaftungen, wobei es sich teilweise um eine Schutzhaft handelte, aber auch Einweisungen in Konzentrationslager erfolgten. Robert Schmelzing kam ab 1935 für mehr als drei Jahre in KZ Börgermoor.

Das Zentrum hatte sich im Kreis Moers im Juli freiwillig aufgelöst, doch ordneten sich die ehemaligen Mitglieder keineswegs dem neuen Regime unter. So bekam Josef Jeurgens, der seit 1922 Pfarrer der Gemeinde St. Josef war, Besuch von der Gestapo, weil er Predigten des Bischofs von Münster, Clemens August von Galen verbreitete. Kaplan Karl Reckers wurde wegen eines Verstoßes gegen das Pressegesetz belangt, weil er die Schrift "Katholische Jugend in Kamp-Lintfort" verbreitete, und Kaplan Franz Schmitz wegen staatsabträglicher Äußerungen. Johannes Hoogen, der bis 1933 Gemeindevorsteher von Saalhoff und Mitglied des Zentrums war, ließ polnische Kriegsgefangene an einem Gottesdienst in der Kapelle seines Hofes teilnehmen. Der evangelische Geistliche Lambert Schauen soll staatsabträgliche Äußerungen bei einer Predigt in Hoerstgen gemacht haben und außerdem fand man bei ihm das vom 15. März 1937 datierende Rundschreiben der Evangelischen Bekenntnissynode im Rheinland.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden im August u. a. Theodor Peters und Johann Paulus, die bis 1933 dem Zentrum angehörten und damals Gemeindevorsteher von Camperbruch bzw. stellvertretender Gemeindevorsteher von Lintfort waren, in Schutzhaft genommen. Als "gefährlicher Feind des Volkes" wurde der Bergmann Dietrich Tembergen vom Volksgerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt, weil er Mitte 1942 in der Straßenbahn von Moers nach Lintfort während der Fahrt aus einem ausländischen Flugblatt vorgelesen und zum Sturz des Hitler-Regimes aufgefordert haben soll.

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Die Ansichtskarten aus den Jahren 1933-1939

Die Karte aus dem Jahre 1933 zeigt die Jugendherberge auf dem Dachsberg; damals gab es auch noch den Aussichtsturm, der im Krieg zerstört wurde

Diese Ansichtskarte mit dem Kloster Kamp wurde am 18.06.1936 verschickt

Diese Ansichtskarte - gestempelt am 6.8.1938 - zeigt das Beamten-Kasino

Die Ansichtskarte gab es auch in Farbe, wie dieses Beispiel zeigt

Die folgende Ansichtskarte zeigt die Friedrich-Heinrich-Allee mit Blick auf die Mittelschule und die Evangelische Kirche:

Ansichtskarte aus dem Jahre 1937 mit Mittelschule und Evangelischer Kirche

Zwar keine Ansichtskarte, aber trotzdem interessant: die Mitarbeiter des Postamtes Lintfort auf einem Foto aus dem Jahre 1938:

Foto der Postmitarbeiter des Postamtes Lintfort aus dem Jahre 1938

Auch der "Reichsarbeitsdienst" (RAD; Abteilung 8/210) hatte spezielle Postkarten, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen:

Ansichtskarte des "Reichsarbeitsdienstes" mit einem Motiv aus der Leucht

Eine weitere Ansichtskarte des "Reichsarbeitsdienstes" mit einem Motiv aus der Leucht
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Kamp-Lintfort im 2. Weltkrieg

Als am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen der 2. Weltkrieg begann, gab es in Kamp-Lintfort keine allzu große Kriegsbegeisterung. Nach dem Sieg gegen Polen war ab dem 10. Oktober 1939 das XXII. Armeekorps am Niederrhein stationiert, dessen 56. Division in Geldern lag. Der Stab war in Kamp-Lintfort einquartiert. Am 10. Mai begannen die Kämpfe gegen Holland, Belgien und Frankreich.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde auch Kamp-Lintfort mehrfach bombardiert, obwohl die Kamp-Lintforter Bevölkerung gehofft hatte, von größeren Bombardierungen verschont zu bleiben, da die im Januar 1940 unter Zwangsverwaltung gestellte Friedrich Heinrich AG eigentlich französisches Eigentum war: am 10. und 11. Mai 1940 wurden einige Bomben von britischen Flugzeugen auf das Gelände der Zeche geworfen, wobei allerdings keine Menschen zu Schaden kamen. Auf dem Weg zum Ruhrgebiet lag Kamp-Lintfort in der Einflugschneise der feindlichen Bomber. In Meerbeck gab es ein Treibstoffwerk von Rheinpreußen, das ebenfalls ein lohnenden Ziel war, weshalb im August 1940 auf dem Flugplatz in Bönninghardt ein Jagdgeschwader stationiert wurde.

Auf der Friedrichstraße nahe der heutigen Zeche Rossenray, im Saalhoff an der Leucht, im Niephauser Feld und am Dachsberg wurden Flakgeschütze in Stellung gebracht. Es wurden zwar einzelne Bomben abgeworfen, aber diese richteten kaum Schaden an.

Seit Anfang 1941 steigerten sich die Angriffe: so wurden z. B. die Häuser auf der Marien-, Christian-, Cäcilien- und Ebertstraße bombardiert. Am Morgen des 2. Juni und am 3. Juni 1942 wurden Brand- und Sprengbomben abgeworfen, am 6. Juni geriet die Leucht durch englische Brandbomben in Brand. Auch am 14. Juli, am 22. Juli und 27. Juli gab es Schäden durch feindliche Angriffe. Waren es 1941 und 1942 jeweils sieben Bombentote in Kamp-Lintfort, so war 1943 ein Opfer zu beklagen.

Ab 1943 flogen auch amerikanische Verbände Angriffe auf das Stadtgebiet. Vereinzelte Bombengriffe gab es am 5. August, 6. August, 6. November und 19. November 1943. Im Jahre 1944 erfolgten Angriffe am 6. Januar, 4. Februar, 22. Mai, 17. Juni., 17. Juli, 6. September, 14. Oktober und 20. November. Einen gezielten Großangriff hatte Kamp-Lintfort bis dahin nicht erlebt, da es sich immer nur um einzelne Bomben und Luftminen handelte.

Bei einem Bombenabwurf in der Nacht vom 22. - 23.7.1942 wurde auch die Bäckerei Holland auf der damaligen Adolf-Hitler-Straße schwer getroffen

Der folgenschwerste Angriff erfolgte am Nachmittag des 21. November 1944, als der Ostteil der Stadt bombardiert wurde. Zuerst fielen Sprengbomben, dann Brandbomben. Das Gebiet zwischen Marktplatz, Marienkirche, Cäcilien- und Elisabethstraße wurde stark zerstört. Insgesamt wurden 77 Tote und 172 Verletzte gezählt und 7.000 Personen verloren ihre Wohnung. Am 7. Februar und 21. Februar 1945 wurde die Kokerei der Zeche Friedrich Heinrich bombardiert. Insgesamt kamen neunzehn weitere Menschen zu Tode, so daß während des 2. Weltkrieges insgesamt mindestens 117 Menschen bei Luftangriffen auf ihren Wohn- bzw. Aufenthaltsort ums Leben kamen.

Am 2. März 1945 erfolgte der amerikanisch-britische Vormarsch von Venlo aus. Die 35. Infanterie-Division des XVI. Korps unter Generalmajor Andersen rückte über Straelen, Nieukerk, Sevelen und Kamp-Lintfort Richtung Wesel vor. Am frühen 3. März wurde Sevelen besetzt, obgleich die Kämpfe um Vorst und Hartefeld noch andauerten. Ein erster Versuch zur Einnahme von Kamp-Lintfort scheiterte am Nachmittags diesen Tages an der Nenneper Fleuth zwischen Sevelen und Hoerstgen, aber am 5. März 1945 gelang dem 784. Panzer-Bataillon in Niederkamp und Kamperbrück der Vormarsch.

In der Kamperbrücker Gastwirtschaft Spüyen nahmen die Amerikaner mehrere Bürger gefangen. Als der Panzer, mit dem diese abtransportiert werden sollten, von einer deutschen Granate außer Gefecht gesetzt wurde, konnte ein Überlebender entkommen, der dann als vermeintlicher Saboteur fast vor der Schusterei Murmann in Kamperbrück von deutschen Fallschirmjägern hingerichtet worden wäre, wenn die Amerikaner nicht erneut vorgerückt wären.

Eine Gruppe der 8. Armoured Divison erreichte den Südrand der Stadt um 9 Uhr vormittags und konnte ohne großen Widerstand ins Stadtgebiet einziehen: der Krieg war für Kamp-Lintfort beendet! Um 12 Uhr erreichten die Amerikaner die Molkerei Vierquartieren und auch der Osten der Stadt war besetzt. Danach wurde der Marsch nach Rheinberg fortgesetzt und am 10. März wurde der Rhein bei Wesel erreicht.

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Postgeschichtliches aus dem 2. Weltkrieg

Postbelege aus der Zeit des 2. Weltkiegs

Das Einschreiben des Reichsarbeitsdienstes wurde am 21.11.1939 in Moers aufgegeben (Frei durch Ablösung Reich); rückseitig ist ein Ankunftstempel aus Lintfort, datiert vom 22.11.1939 / 7 Uhr:

Einschreiben aus Moers nach Kamp-Lintfort (November 1939)

Bei der folgenden Nachnahme aus dem Jahre 1940 wurde lt. Vermerk die Annahme am Freitag, dem 27.9.1940 verweigert; von der Lintforter Post wurde handschriftlich mit blauer Farbe "zck" (= zurück) vermerkt und "Kamp-Lintfort" durchgestrichen:

Verweigerte Nachnahme aus dem Jahre 1940

Bedarfsgerecht frankierter Brief vom 14.11.1940

Obwohl die Gemeinden sich schon 1940 zusammengeschlossen hatten, wurde die postalischen Umbenennung des Ortes erst nach dem Kriege (im Jahre 1949) vollzogen. Als Absender heißt es auf der folgenden Karte mit Absenderfreistempel schon "Kamp-Lintfort", im Tagesstempel steht aber noch "Kamp (Bz. Düsseldorf)":

Karte mit Absenderfreistempel aus dem Jahre 1940

Postkarte vom 14.3.1941

Der Krieg machte auch vor der Post nicht halt, wie der folgende Todesbrief mit der Todesnachricht über einen 20-jährigen Gefreiten einer Fliegerschule zeigt:

Drucksache vom 17.9.1943 als Totenbrief

Feldpostbriefe mußten nicht frankiert werden und waren portofrei. Häufig kam es vor, daß die Adresse nicht mehr stimmte und die Briefe mit dem Vermerk "Zurück an Absender / Neue Anschrift abwarten" und einem "Zurück"-Stempel versehen wurden; bei den beiden folgenden Briefen ist dieser Vermerk handschriftlich und mit Stempelabdruck vorgenommen worden. Die Angehöreigen waren sicherlich in Angst und Sorge, als sie die Briefe wieder in Empfang nehmen mußten:

Feldpostbrief mit handschriftlichem "Zurück"-Vermerk

Feldpostbrief mit gestempeltem "Zurück"-Vermerk

Die Post in Kamp-Lintfort in der Zeit des 2. Weltkriegs

Während der Kriegsjahre 1939 - 1945 waren fast nur weibliche Arbeitskräfte bei der Post beschäftigt. In den letzten Kriegsjahren entfiel die Landkraftpost des Postamtes Moers und die Kraftgüterpost des Postamtes Duisburg. Die zu- und abgehenden Post wurden wieder mit der Straßenbahn befördert.

Durch die Luftangriffe wurde diese Verbindung oft unterbrochen. Der Austausch der Briefpost mußte deshalb durch Briefboten mit Fahrrädern nach Moers befördert werden. Die Zeche Friedrich Heinrich und die Baufirma Bleckmann stellten ihre Lstkraftwagen unentgeltlich zur Beförderung der Paketsendungen von und nach Duisburg und Moers zur Verfügung.

1942 verstarb der Postagent der Poststelle in Kamp, Wilhelm Jockrahm. Seine Nachfolgerin wurde die Tochter, Christine Jockrahm.

Als Kamp-Lintfort am 5. März 1945 von amerikanischen Truppen besetzt wurde, wurde das Postamt in Lintfort, das während des Krieges durch Granatsplitter nur leichte Gebäudeschäden erlitten hatte, von den Amerikanern beschlagnahmt. Unter anderen Dienststellen war im Postamtsgebäude zeitweise ein Feldpostamt untergebracht.

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Das Schicksal der jüdischen Einwohnerschaft

Neben den politisch Mißliebigen hatte - als ganze Bevölkerungsgruppe - die jüdische Einwohnerschaft Kamp-Lintforts besonders unter der nationalsozialistischen Diktatur zu leiden, deren Geschichte wahrscheinlich schon im 16. Jahrhundert begann und sich bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausschließlich auf das Gebiet der ehemaligen Reichsfreien Herrlichkeit Hoerstgen und Frohnenbruch beschränkte.

Das Foto (um 1930) zeigt die 1903 erbaute letzte Synagoge, die ihren Standort auf dem heutigen Parkplatz in Höhe des Hauses Dorfstraße 58 hatte

Gegen Zahlung von Sonderabgaben gestatteten die etwa seit 1533 auf Haus Frohnenbruck ansässigen feudalen Herrscher aus dem Geschlecht von Milendonk zuwandernden Juden den Aufenthalt. Es wird angenommen, daß es sich bei den ersten Hoerstgener Juden um sefardische Juden - also Juden spanisch-orientalischer Abstammung - handelte. Darauf deutet jedenfalls der noch im 18. Jahrhundert belegbare Eigenname "Spanisch Isac" hin. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie sich vor allem als Tagelöhner, Schrotthändler, Hausierer und Viehhändler. Dem Einwohnerverzeichnis der Mairie Hoerstgen des Jahres 1799 kann man entnehmen, daß insgesamt sieben jüdische Familien mit zusammen 39 Personen offensichtlich ghettoartig in einem einzigen Haus wohnten. Es wird vermutet, daß es sich dabei um die Fluchthäuser in der Vorburg des Hauses Frohnenbruck handelte, das 1793 von seinem damaligen Eigentümer Karl Franz Paridam von dem Knesebeck verlassen worden war.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten vor dem Hintergrund der unter der französischen Herrschaft eingeführten allgemeinen Zuzugs- und Niederlassungsfreiheit in Hoerstgen zeitweise mindestens 106 Einwohner jüdischen Glaubens. Sie stellten damit vorübergehend immerhin rund 21 Prozent oder ein Fünftel der ansonsten fast ausschließlich protestantischen Einwohnerschaft. Am 27. Februar 1915 wurde im übrigen in Hoerstgen der berühmteste Kamp-Lintforter Bürger Jakob Wiener geboren, der später insbesondere als Münzgraveur europaweit zu großem Ruhm und Ansehen gelangte. Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Ostpreußen, jene mütterlicherseits aus Ungarn. Doch schon 1817 siedelte die Familie nach Venlo über. Jakob Wiener verstarb am 3. November 1899 in Brüssel.

Im übrigen gab es in Hoerstgen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts u. a. die folgenden jüdischen Familiennahmen: Adler, Billstein, Böninger, Cahn, David, Goldstein, Compertz, Gottschalk, Hertz, Heymann, Jacob, Jesse, Kal(l)mann, Lichtenstein, Mendel, Rosenberg, Seligmann und Spier. 1854 bezeichneten sich die Hoerstgener Juden gegenüber Wilhelm Dusen, dem damaligen Bürgermeister von Camp, Eyll und Hoerstgen, als "älteste israelitische Gemeinde im Kreise Geldern" und verwiesen nicht ohne Stolz auf ein schuldenfreies "geräumiges Gotteshaus (Synagoge) mit Frauenkirche, Frauenbad etc.". Zu den Repräsentanten des 1854 gegründeten Synagogenbezirks Rheinberg zählten aus Hoerstgen der Kaufmann Moses Goldstein und der Seidenweber Tobias David. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts erlitt die jüdische Gemeinde jedoch erhebliche Verluste durch Abwanderung und verlor weiter an Bedeutung und die Mitgliederzahl sank bis auf 31 im Jahre 1860. Dabei ist zu erwähnen, daß es im benachbarten Camp bereits seit einigen Jahren vier Einwohner mosaischen Bekenntnisses - eine Familie namens Jesse - gab.

Das Foto (um 1930) zeigt den doch schon recht verwahrlosten Zustand der Hoerstgener Synagoge

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die einst große jüdische Gemeinde in Hoerstgen nahezu ausgezehrt. So spricht der "Grafschafter" in seiner Ausgabe vom 6. Januar 1906 nur noch von "ein Dutzend Israeliten" in Hoerstgen. Während der Siedlungsschwerpunkt der Juden innerhalb des Kamp-Lintforter Gebietes über Jahrhunderte in Hoerstgen lag, siedelten sich mit der einsetzenden Industrialisierung im Jahre 1906 bzw. bis 1913 allerdings in Camperbruch an der Moerser Straße auch einige jüdische Kaufmannsfamilien an und zwar mindestens Buschhoff aus Moers, Mendels und Neuhaus. Ende 1919 kamen die Geschwister Zander hinzu und spätestens 1927 unterhielt der Alpener Manufakturwarenhändler Jacob Herz eine Filiale in Kamp-Lintfort. 1929 folgten dann aus Moers die Eheleute Ernst und Gertrud Kammerer, bei denen die Ehefrau jüdischen Bekenntnisses war. Die neue jüdische Einwohnerschaft gehörte zum Bezirk der Synagogengemeinde Moers. Auch die Beschulung der jüdischen schulpflichtigen Kinder erfolgte in Moers. 1933 zählte man dort jedoch nur zwei Schüler aus Kamp-Lintfort: Meinhard Rechtschaffen und Michael David. Bis 1933, dem Jahr der nationalsozialistischen "Machtergreifung", stieg die Zahl der auf dem Kamp-Lintforter Gebiet lebenden Juden auf 39 an, sank jedoch bereits 1934 auf 29 ab.

1938 wurde das Konfektionsgeschäft Mendels auf der Moerser Straße 337 "arisiert" und im April 1939 wurde der Kaufmann Max Buschhoff zur Veräußerung seines Grundstücks an der Moerser Straße 335 gedrängt. In der Einwohnerstatistik von 1940 wurden nur noch sieben jüdische Bürger ausgewiesen. Am 11. Dezember 1941 erfolgte die Deportierung von vier Mitgliedern der Familie Cahn nach Riga, am 25. Juli 1942 kam die über siebzigjährige Jüdin Martha Kohlmann in das KZ Theresienstadt. Zu dieser Zeit lebte nur noch Gertrud Kammerer, geb. Moses in Kamp-Lintfort, die 1944 nach Berlin verbracht wurde, wo sie in einer von der Gestapo beschlagnahmten jüdischen Schneiderei arbeiten mußte.

Sechs Wochen nach Kriegsende kehrte die letzte Jüdin aus Kamp-Lintfort in ihre Heimat zurück, um mit ihrem Mann das Geschäft wieder aufzubauen. Sie trat zur evangelischen Kirche über. Heute erinnert nur noch der Friedhof an der Breitenwegsallee, auf dem man noch 29 erhaltenen Grabstätten - darunter neun von Rheurdter Juden - antrifft, an die jüdischen Bürger.

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Die Ansichtskarten aus der Zeit der frühen 40er Jahre

Auch in den Vierziger Jahren erschienen einige Ansichtskarten, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

Diese Ansichtskarte zeigt die Sparkasse auf der "Adolf-Hitler-Straße"



Daß diese Ansichtskarte noch aus der Zeit des 2. Weltkriegs stammt, zeigt die Bezeichnung "Adolf-Hitler-Straße"

Ansichtskarte um 1940 mit Bich auf Ecke Moerser Straße / Friedrich-Heinrichstraße


Ansichtskarte um 1942 zeigt das Ehrenmal

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