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Einführung
In der Zeit der Regentschaft von Königin Juliane blieb die Ausgabepolitik der Niederländischen Postverwaltung moderat, obwohl besonders ab den 60er Jahren zunehmend Sondermarken zu bestimmten Anlässen und in den 70ern eine größere Anzahl von Blocks herausgegeben wurden. Insgesamt erschienen 651 Marken und 18 Blocks. Die Dauermarken waren auch weiterhin von dem Motiv "Ziffer" bestimmt und drei verschiedenen Serien mit dem Porträt der Königin.
Die - für niederländische Verhältnisse - relativ kurze Regierungszeit von nur 32 Jahren war geprägt durch den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg und die Integration der Niederlande in das europäische Staatensystem und das transatlantische Bündnis. Weltpolitisch fällt in ihre Regierungszeit der Eintritt in die "Vereinten Nationen" (UNO), die Aufgabe der letzten asiatischen Kolonie Niederländisch Neuguinea und die Unabhängigkeit von Suriname auf dem südamerikanischen Festland. Innenpolitisch bedeutsam waren besonders die Nachkriegszeit mit dem politischen und ökonomischen Wiederaufbau und die 60er und 70er Jahre, die - wie in anderen Ländern - durch gesellschaftliche und soziale Spannungen bestimmt wurden, die von einer meist jugendlichen Protestbewegung getragen wurde.
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Politische Neuorientierung und Europäische Integration
Nachdem die "Katholische Volkspartei" (KVP) die Wahlen im Jahre 1946 gewonnen hatte und es unter Ministerpräsident Louis Joseph Maria Beel (1902-77) zu einer katholisch-sozialdemokratischen Koalition unter Beteiligung der "Partei der Arbeit" (PvdA) gekommen war, wurde die Koalition in den folgenden vier Legislaturperioden 1948 bis 1958 unter dem Sozialdemokraten Willem Drees um CHU und VVD bzw. ARP erweitert. Die gesellschaftliche Versäulung, die seit Jahrzehnten typisch für die Niederlande war, wurde erst in den 60er Jahren durchbrochen. Die Gründe hierfür waren sowohl in den Stimmenverlusten der christlichen Parteien als auch im Mitgliederschwund der Kirchen und ihrer Organisationen zu suchen.
Politisch war die außenpolitische Neuorientierung wichtig, da die Niederlande nach dem Krieg eine aktive Bündnispolitik betrieben. Nach der Zollunion der Benelux-Staaten im Jahre 1948 folgte im Jahre 1958 die Wirtschaftsunion dieser Länder. Schon 1949 waren die Niederlande Gründungsmitglied des "Nordatlantik-Paktes" (NATO), aber besonders um die Integration Europas machten sie sich verdient: 1949 traten sie dem Europarat bei, sie gehörten zur Montanunion und zu den Gründungsmitgliedern der "Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG) im Jahre 1957.
Als Hemmschuh bei den Bemühungen um die Europäische Union erwies sich in den 60er Jahren der Franzose Charles de Gaulle, der diese "Union" verhindern wollte und sich insbesonders gegen eine Aufnahme Großbritanniens mit seinen transatlantischen Verflechtungen mit den USA wehrte. Der Konflikt zwischen dem niederländischen Außenminister Joseph Luns und Charles de Gaulle, der die Niederländer an die Auseinandersetzung zwischen Wilhelm III. von Oranien und Ludwig XIV. erinnerte, endete damit, daß Charles de Gaulle 1968 zurücktrat, Joseph Luns 1971 NATO-Generalsekretär wurde und Großbritannien im Jahre 1973 der EWG beitreten konnte.
In den folgenden Jahren wurden zwar immer mehr Frankreich und Deutschland zu den "Motoren" der europäischen Einigung, aber es gelang den Niederländern während ihrer EG-Präsidentschaften immer wieder, wichtige Fortschritte auf diesem Wege zu erzielen. Das wichtigste Ereignis war sicherlich der Vertrag von Maastricht, der im Februar 1992 unterzeichnet wurde.
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Die Ausgaben der 50er Jahre
Wirtschaftlicher Wiederaufbau
Die schnelle Wiederherstellung der Wirtschaft in den 50er Jahren war mit entscheidend, daß die Niederlande in der EWG eine große Rolle spielen konnten. Da ungefähr ein Drittel der Produktionskapazitäten in Industrie und Landwirtschaft zerstört worden waren, waren die Kriegsschäden in den Niederlanden größer als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Die Devisen für die dringend notwendigen Rohstoffe und Industriegüter kamen aus dem Marshallplan, der 1 Mio US-Dollar für die Niederlande vorsah. Die Industrieproduktion kam schnell wieder in Fahrt, während es bei der Landwirtschaft und den Dienstleistungen länger dauerte, bis das Vorkriegsniveau wieder erreicht wurde. Außerdem kam es nach dem Kriege zu einem raschen Bevölkerungswachstum, da die 9 Mio. Einwohnern, die es 1945 gab, 1950 auf 10 Mio., 1960 auf 11 Mio., 1970 auf 13 Mio. und 1980 auf 14 Mio. anwuchs.
In den 50er und besonders in den 60er Jahren wurde die wirtschaftliche Erholung durch einen Strukturwandel begleitet, weil es in vielen Branchen zu einem Konzentrationsprozeß kam, in dem nur wenige Betriebe übrig blieben, die danach um so stärker wuchsen. Der Dekolonisation von Niederländisch Indien fielen ihr eng verbundene Branchen wie Textilindustrie, Schiffbau und Linienschiffahrt zum Opfer.
Auf Grund der bitteren Erfahrungen zur Zeit der Weltwirtschaftkrise ging man in den Niederlanden davon aus, daß der Aufschwung der Wirtschaft nicht alleine durch den freien Markt erfolgen könne. Deshalb schuf man eine Sozialpartnerschaft und ging zu staatlicher Planung über. Oft wird über das "Wirtschaftswunder" in der Bundesrepublik Deutschland gesprochen, aber schon einige Jahre früher, nämlich im Jahre 1945 legten die Niederlande mit ähnlichen Mitteln den Grundstein für den Wiederaufschwung. Der Wirtschaftwissenschaftler und spätere Nobelpreisträger Jan Tinbergen (1903-1994) richtete ein staatliches Planungsbüro (CPB) ein, dessen wichtigste Aufgabe die Lohn- und Preiskontrolle war. Durch unter dem europäischen Durchschnitt liegende Löhne wollte man international konkurrenzfähig sein, Tarif- und Preiserhöhungen mußten vom Staat genehmigt werden.
Ausschlaggebend für das Gelingen des wirtschaftlichen Aufschwungs war dabei, daß die Gewerkschaften dies unterstützten: eine wachsende Bevölkerung mußte mit Arbeit versorgt werden. Anfang der 60er Jahre hörte diese Lohndisziplin allerdings auf, als die Aufbauphase der Wirtschaft abgeschlossen war und die Löhne stark stiegen. In den 70er Jahren gab es eine Inflationsrate von 10 %, die auch nicht mit Preiskontrollen zu bekämpfen war.
Ein wichtiges Instrument zur Sicherung des sozialen Friedens war auch das Mitspracherecht der Arbeiterschaft. So gab es einen "Sozialökonomischen Rat" (SER), der je zu einem Drittel von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit (die Vertreter werden von der Königin auf Vorschlag der Regierung ernannt) besteht. In den Betrieben selber gibt es auch ein Mitbestimmungsrecht, das aber eher eine direkte Mitbestimmung der Betriebsräte in den einzelnen Betrieben ist, als in Deutschland, wo es die "paritätische Mitbestimmung" in den Aufsichtsräten der Unternehmen gibt. In den Niederlanden legt man Wert darauf, daß das Hauptziel der Mitbestimmung nicht wie in Deutschland in einer Stärkung des Gewerkschaftseinflusses und in einer Schwächung der Kapitalseigner liegt, sondern in der sozialen Gerechtigkeit, wobei man einen partnerschaftlichen Konsens zu erreichen sucht.
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Die Ausgaben der 60er Jahre
Die 60er Jahre brachte insofern ein Novum, als immer mehr Einzelmarken und Emissionen anläßlich von Jubiläen verausgabt wurden. 1960 erschien eine Ausgabe zum Weltflüchtlingsjahr sowie zum Thema "Geistige Volksgesundheit". Für 1962 sind die Silberhochzeit von Königin Juliana und Prinz Bernhard, sowie die Ausgabe "Vollautomation des Telefonnetzes" zu nennen. 1963 wurde eine Ausgabe für das Rote Kreuz verausgabt sowie zum Thema "150 Jahre Unabhängigkeit". Jubiläen standen auch 1964 und 1965 im Mittelpunkt: 500 Jahre Generalstaaten, 350 Jahre Universität Groningen, 125 Jahre Eisenbahn, 20 Jahre Benelux, 10. Jahrestag des Statuts der Niederlande, 150 Jahre Wilhelmsorden und 100 Jahre Internationale Fernmeldeunion. 1954 erschienen die Kindermarken zudem erstmals auch als Block, wie dies dann in den folgenden Jahren Usus wurde.
1966 erschienen die vorletzte Flugpostmarke der Niederlande und als vierter Block für das Komitee für europäische Auswanderung. In den Jahren 1967 wurden folgende Jubiläen philatelistisch gewürdigt: 50 Jahre Postscheck-Dienst (16.01.1967, Michel-Nr. 893), 400 Jahre Nationalhymne (27.06.1968, Michel-Nr. 901), 25 Jahre Benelux (08.09.1969, Michel-Nr. 926), 500. Geburtstag Erasmus von Rotterdam (30.09.1969, Michel-Nr. 927) und 15 Jahre Statut der Niederlande.
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Die Entwicklung in den 60er und 70er Jahren
In den 60er und 70 Jahren fand auch in den Niederlanden ein Strukturwandel in der Wirtschaft statt. Es schlossen zahlreiche Betriebe der Metallverarbeitung, so daß im sekundären Sektor hauptsächlich energie- und kapitalintensive Branchen wie die Erdgas- und Erdölindustrie, die chemische Industrie, die Kunststoffverarbeitung und die Papierindustrie übrig blieben, die meist im Ausland investierten, wie z. B. die Konzerne Stell und Unilever. In der Landwirtschaft wuchsen Großstallungen und Gewächshäuser buchstäblich aus dem Boden, die ihre landwirtschaftlichen Produkte, wie z. B. Fleisch, Milch, Milchprodukte, Gemüse, Erdbeeren und Blumen, quasi industriell erzeugten und im Ausland vermarkteten. Einher ging ein Aufschwung von der Landwirtschaft eng verbundenen Betrieben der Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Bedeutend geworden sind die Niederlande auch als Dienstleistungsdrehscheibe mit dem weltgrößten Hafen in Rotterdam und dem Nordatlantik-Flughafen Schiphol in Amsterdam.
Auch gesellschaftlich war diese Zeit eine Zeit des Wandels, da - wie in Deutschland - die Jugend rebellierte und für ein Aufbrechen verkrusteter Strukturen kämpfte. Als die Kronprinzessin Beatrix und der deutsche Diplomat Claus von Amsberg am 10. März 1966 in Amsterdam heirateten, wurden Rauchbomben auf den Hochzeitszug geworfen und Krawalle mit der Polizei angezettelt. Zwar richteten sie sich äußerlich gegen die Herkunft des Prinzgemahls, der als Deutscher unbeliebt war und sich erst im Laufe der Jahre die Achtung der Niederländer erkämpfen konnte, aber in erster Linie zeigten sie auch eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der niederländischen Gesellschaft. Den Randalierern auf den Straßen folgten wie in ganz Westeuropa die Studenten, die im Jahre 1969 die Amsterdamer Universität und die Tilsiter Hochschule besetzten. In Amsterdam gründeten die Hippies sogar eine eigene Partei. In den 70er Jahren fielen vor allem die Frauenbewegung ("Dolle Minas") und die Hausbesetzer ("Krakers") als Träger des Protestes geben die Gesellschaft auf.
Im Parteienspektrum organisierte sich eine "Neue Linke", die - wie die "Grünen" in Deutschland - den Marsch durch die Institutionen suchte. Die "Demokraten 66" (D66) entstanden links von der VVD und versuchten die linksliberalen Wähler zu gewinnen. Abtrünnige Katholiken gründeten die "Politische Partei Radikaler" (PRR), zu der sich eine rechte Abspaltung der PvdA als "Demokratische Sozialisten" (DS 1970) im Jahre 1970 gesellte. Somit war die alte "versäulte" Gesellschaft aus Katholiken, Protestanten, Sozialisten und Liberalen endgültig überwunden. Zum ersten Mal hatte ein Kabinett in den Jahren 1973 bis 1977 unter dem Sozialdemokraten Hoop den Uyl (1919-1987) eine Mitte-Links-Mehrheit. Diese linke Koalition wollte wie Willy Brandt in Deutschland "mehr Demokratie wagen" und eine "fundamentale Demokratisierung" der niederländischen Gesellschaft erreichen.
Analog dazu wandelte sich auch der niederländische Sozialstaat zum "Versorgungenstaat": soziale Gerechtigkeit und "welzijn" waren das Motto der Stunde. Getragen wurde diese Entwicklung sowohl von den christlichen Parteien als auch der PvdA mit einer Tendenz zu wachsenden Leistungen der Daseinsvorsorge für immer breitere Schichten der Bevölkerung. Anstelle eines gewissen staatlichen Schutzes bei Arbeitsunfällen und Invalidität zu Beginn der Industriegesellschaft kam es immer mehr zu einer Garantie des Existenzminimums im Alter und bei Invalidität. Gesundheitsfürsorge und Wohnungsbau kamen hinzu. In den Niederlanden uferte dies sogar soweit aus. daß die Aufgaben des Staates sich sogar auf die Förderung der individuellen Selbstverwirklichung und die Teilnahme der Bürger an Politik, Kultur und Sport erstreckten, denn individuelles Wohlbefinden wurde Regierungsprogramm und wurde systematisch geplant und gefördert. Deshalb wurden 1971 analog zum Sozialökonomischen Rat und zum Zentralen Planungsbüro ein Sozialkultureller Rat (SCR) und 1973 ein Sozialkulturelles Planungsbüro (SCO) eingerichtet.
1977 kam es zu einer Renaissance der christlichen Parteien, als die Sozialisten in die Opposition mußten. Als Reaktion auf die Wählerverluste in den 60er und frühen 70er Jahren hatten sich KVP, CHU und AR darauf geeinigt, eine überkonfessionelle, christliche Politik zu betreiben. Schon 1975 schlossen sie ein Wahlbündnis, aus dem nach dem Wahlsieg 1977 und der Regierungsübernahme durch Dries van Agt 1980 die "Partei des Christlich Demokratischen Appells" (CDA) hervorging. In diesem Jahr fand in den Niederlanden auch ein Regentschaftswechsel statt, als Kronprinzessin Beatrix ihrer Mutter Juliane auf den Thron folgte.
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Die Ausgaben der 70er Jahre
In den 70er Jahren setzen sich zwei Trends fort, die in den 60ern ihren Anfang nahmen: die Briefmarken der Niederlande wurden zunehmend "moderner" in ihrer graphischen Gestaltung und es erschienen immer mehr Block. So wurden beispielsweise die Kindermarken auch in diesem Jahrzehnt nicht nur als Einzelmarken, sondern auch als Blocks gedruckt. Diese waren auch weiterhin neben den Sommer- und Europa-Marken ein wichtiger Bestandteil der Jahresprogramme, aber auch internationale Ereignisse und das Thema "Umwelt und Natur" rückten - ab Mitte des Jahrzehnts - zunehmend ins Interesse. Als Beispiel seien die beiden Marken "interparlamentarischer Rat / 25 Jahre UNO" aus 1970 genannt.
Am 29. Juni 1971 wurde des 60. Geburtstag von Prinz Bernhard gedacht und mit der Marke "Deltaplan" vom 16. Februar 1972 rückte erstmals ein umweltpolitisches Thema in den Mittelpunkt. 1973 konnte Königin Juliane ihr 25-jähriges Thronjubiläum feiern und am 19. Februar 1974 erschienen drei Marken "Natur und Umwelt" als Dreierstreifen sowie 10. September 1974 erschienen drei Werte zu den Themen "30 Jahre Zollunion Benelux", "25 Jahre Europarat" und "25 Jahre NATO".
Gedenktage gab es auch im Jahre 1975, als am 26. Februar die Sondermarken "700 Jahre Amsterdam", "300 Jahre Synagoge in Amsterdam" und "400 Jahre Reichsuniversität Leiden" herausgegeben wurde und am 25. Juli 1975 eine Marke zum "Jahr der Frau" erschien. Die Jahre 1976 und 1977 standen ganz im Zeichen der Internationalen Briefmarkenausstellung "Amphilex", zu der auch ein Block emissiert wurde. Im Jahre 1978 wurden auch in den Niederlanden Postleitzahlen eingeführt. 1979 feierten die Niederlande "40 Jahre Union von Utrecht" und den 70. Geburtstag von Königin Juliane.
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